KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Trotz westlichen Zurückweisungen hält Russland an der Behauptung fest, Kiew wolle Moskau mit einer "schmutzigen" - also atomar verseuchten - Bombe diskreditieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Montag in Bezug auf Zweifel der USA, Großbritanniens und Frankreichs hinsichtlich der Anschuldigungen: "Ihr Misstrauen gegenüber der Information, die ihnen von russischer Seite gegeben wurde, bedeutet nicht, dass die Gefahr des Einsatzes einer "schmutzigen Bombe" aufhört zu bestehen." Moskau hatte die Vorwürfe am Sonntag publik gemacht, die Ukraine wies diese zurück.
Während die Kämpfe in der Ukraine acht Monate nach Kriegsbeginn weitergingen, diskutierten Vertreter aus Politik und Wirtschaft bei einem Wirtschaftsforum in Berlin Aufbauhilfen für die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte bei dem Treffen, dass der Wiederaufbau des Landes auf eine EU-Mitgliedschaft ausgerichtet werden solle. "Wenn wir die Ukraine wiederaufbauen, dann tun wir das mit dem Ziel der Ukraine als EU-Mitglied im Kopf", sagte der SPD-Politiker. Die Verkehrsinfrastruktur sowie der Logistik- und Transportsektor müssten so aufgebaut werden, dass das Land problemlos an die EU angebunden werden könne.
Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bezifferte die Kosten des Wiederaufbaus nach derzeitigem Stand bei dem Gipfel auf nahezu 750 Milliarden US-Dollar (764 Milliarden Euro). Das entspräche fast der vierfachen Wirtschaftsleistung der Ukraine im Jahr 2021.
Habeck: Akute Winterhilfe für Ukraine hat Vorrang
Angesichts zerstörter Infrastruktur in der Ukraine bezeichnete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine "akute Winterhilfe" als oberste Priorität. Der Grünen-Politiker sagte bei dem Wirtschaftsforum, der Ukraine müsse kurzfristig geholfen werden, um den Winter zu überstehen. Es gehe zum Beispiel um Generatoren, Transformatoren und Netzreparaturen.
Das Wirtschaftsforum ist einer internationalen Expertenkonferenz vorgeschaltet, zu der Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Dienstag eingeladen haben. Dabei soll erstmals umfassend über einen "Marshallplan" für die Ukraine beraten werden - nach dem Vorbild des gleichnamigen US-Plans für das zerstörte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet.
Russland erneuert Atomvorwürfe
Außenminister Sergej Lawrow erklärte, es gebe "konkrete Informationen zu den Instituten in der Ukraine, die über entsprechende Technologien verfügen, solch eine "schmutzige Bombe" zu bauen". Die westliche Reaktion sei angesichts der bedingungslosen Unterstützung für Kiew erwartbar gewesen, sagte Lawrow. Bei den Vereinten Nationen hoffe er allerdings auf eine "professionelle Erörterung" des Themas.
Russische Staatsmedien hatten am Sonntag behauptet, Kiew sei mit der Entwicklung einer radioaktiv verseuchten Bombe fast fertig. Es wolle diese auf eigenem Gebiet einsetzen, um eine Schmutzkampagne gegen Russland zu fahren. Washington, Paris und London wiesen die Anschuldigungen in einer gemeinsamen Erklärung zurück.
Kriegsparteien melden nur vereinzelte Angriffe in Ost- und Südukraine
Vor einer erwarteten Großoffensive der Ukrainer im südlichen Gebiet Cherson hat es entlang der Front nur vereinzelt Gefechte gegeben. Das ging aus den Lageberichten der russischen und ukrainischen Streitkräfte hervor. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete von der Abwehr ukrainischer Angriffe im östlichen Raum Kupjansk und Lyman sowie nördlich des besetzten Schwarzmeerhafens Cherson. Kiew wiederum vermeldete, russische Attacken auf die Städte Bachmut und Soledar zurückgeschlagen zu haben.
Ukrainisches Militär erwartet keinen russischen Abzug aus Cherson
Der ukrainische Militärgeheimdienst erwartet keinen Abzug russischer Truppen aus der besetzten Stadt Cherson im Süden der Ukraine. Im Gegenteil bereite sich die russische Armee auf eine Verteidigung der Stadt vor, sagte der Leiter des Geheimdienstes, Kyrylo Budanow. Unabhängig überprüfbar waren Budanows Angaben ebenso wenig wie die der russischen Seite zur Lage in Cherson.
Ukrainischer Botschafter offiziell im Amt
Der bisherige ukrainische Regierungsbeauftragte für die Sanktionen gegen Russland, Oleksii Makeiev, ist offiziell neuer Botschafter seines Landes in Deutschland. Der 46-jährige überreichte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dessen Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin sein Beglaubigungsschreiben und das Abberufungsschreiben seines Vorgängers Andrij Melnyk.
London: Ukraine erfolgreich beim Abschuss iranischer Kampfdrohnen
Die Ukraine wehrt sich nach Ansicht britischer Geheimdienste zunehmend erfolgreich gegen russische Angriffe mit iranischen Drohnen. Die Drohnen seien langsam, laut und würden in geringer Höhe eingesetzt und seien damit recht einfach abzuschießen, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Offiziellen ukrainischen Angaben zufolge würden bis zu 85 Prozent der Angriffe abgefangen./csd/DP/nas