ESSEN (dpa) - Deutschlands größter Energieversorger Eon hat seine Absicht bekräftigt, die Preise für Strom und Gas zu senken. "Wir werden die gesunkenen Großhandelspreise konsequent an unsere Kunden im Rahmen von Preissenkungen weitergeben", sagte Eon-Finanzvorstand Marc Spieker am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Essen. Die gesunkenen Großhandelspreise würden an alle Eon-Kunden in einer "fairen Weise" weitergereicht.

In den Niederlanden und England sei dies schon für nahezu alle Kunden erfolgt. "In Deutschland kommt die erste große Welle, was die Grundversorgung angeht, jetzt im September." Bei regionalen Marken sei es zur Jahresmitte schon weitgehend umgesetzt worden. Einzelne Kundengruppen kämen im nächsten Frühjahr dran. Es gebe auch noch wenige Kunden mit niedrigen Vorkrisentarifen. "Die kriegen von uns irgendwann in den nächsten zwölf Monaten gegebenenfalls auch noch mal ein Schreiben, dass die Preise dann ansteigen."

In Europa bekommen sehr viele Haushalte Strom und Gas von Eon: In Deutschland hat der Konzern insgesamt rund zwölf Millionen Strom- und zwei Millionen Gaskunden. Europaweit haben Eon und Unternehmen mit Eon-Beteiligung insgesamt rund 47 Millionen Kundinnen und Kunden.

Im ersten Halbjahr hatte Eon operativ einen Gewinnsprung verzeichnet, wie das Unternehmen bereits im Juli mitgeteilt hatte. Der um nichtoperative Effekte bereinigte Konzernüberschuss war demnach gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 63 Prozent auf über 2,3 Milliarden Euro gestiegen. Im Vertrieb lag der Hauptgrund in den gesunkenen Beschaffungskosten, die wegen der langfristigen Beschaffung im Voraus erst zeitverzögert an die Kunden weitergegeben werden. Der Konzern geht davon aus, dass der Vertrieb im zweiten Halbjahr wegen der angekündigten Preissenkungen deutlich weniger Gewinn einfahren wird.

Eon geht trotz der angekündigten Preissenkungen für Haushaltskunden davon aus, dass die Energiepreise im Großhandel dauerhaft höher bleiben als vor der Krise. "Ich halte das für nahezu ausgeschlossen, dass wir in naher Zukunft zurückkommen auf die Preise, die wir 2017/18/19 vor Pandemie und Ukraine-Krieg hatten", sagte Spieker der Deutschen Presse-Agentur und der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. "Sichere, nachhaltige Energie hat ihren Preis, und das wird erstmal so bleiben."

Im vergangenen Jahr waren die Großhandelspreise für Strom und Gas unter anderem infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine extrem gestiegen. In der Folge hoben auch die Energieversorger die Preise stark an. Mittlerweile sind die Großhandelspreise wieder deutlich gesunken.

Eon wird nach Einschätzung Spiekers angesichts der erforderlichen Investitionen von der Energiewende profitieren. "Wir schauen auf mindestens ein Wachstumsjahrzehnt", sagte der Manager im Interview. In diesem Zeitraum müsse der Ausbau der Energieinfrastruktur stark beschleunigt werden. Eon befinde sich in einer besonderen Rolle, sagte Spieker. Das Energienetz des Konzerns habe eine zentrale Bedeutung, um die Energiewende in Deutschland zu schaffen.

Für einen Erfolg der Energiewende ist nach Ansicht von Eon-Chef Leonhard Birnbaum neben Kapital auch ein Bürokratieabbau notwendig. "Wir brauchen eine deutliche Beschleunigung und Verschlankung der Planungs- und Genehmigungsverfahren", sagte Birnbaum am Mittwoch in Essen mit Blick auf geplante Investitionen in die Strom-Verteilnetze. "Der Kanzler redet von Deutschlandgeschwindigkeit. Jetzt muss er nur noch dafür sorgen, dass die Ämter verstehen, was er meint", sagte Birnbaum. "Ich würde jetzt mal ganz vorsichtig sagen: Die haben das bisher nur begrenzt verstanden oder begrenzt in ihr Handeln involviert. Das muss sich jetzt ändern."

Eon betreibt in Deutschland nach eigenen Angaben mehr als 800 000 Kilometer Strom- und Gasnetze und damit einen Großteil der deutschen Verteilernetze. Diese müssen modernisiert werden, damit beispielsweise Elektroautobesitzer ihre Fahrzeuge auch zu Hause laden können. Außerdem erfordert insbesondere die Stromerzeugung mit Sonne und Wind, dass das Energiesystem digital vernetzt wird. Im März hatte Eon angekündigt, bis 2027 rund 33 Milliarden Euro in die Hand nehmen zu wollen. Mit 70 bis 80 Prozent geht laut Finanzchef Spieker der Großteil der Investitionen in den Netzausbau.

Kein Netzausbau ohne neues Personal: Im ersten Halbjahr stellte Eon konzernweit 2000 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, vor allem im Netzgeschäft. Ende 2022 waren im Konzern fast 72 000 Menschen beschäftigt, davon knapp 37 000 in Deutschland.

"Wir müssen Netze wie am Fließband ausbauen, verstärken und neu bauen", sagte Birnbaum. Darauf werde Eon derzeit ausgerichtet. "Wir leisten mit unseren Investitionen also einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft."/lew/DP/mis