BERLIN/WASHINGTON/MOSKAU (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat Moskau dazu aufgerufen, das am Sonntag auslaufende Getreideabkommen mit Kiew längerfristig zu erneuern. Die Vereinbarung war unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Sommer 2022 zustande gekommen und sieht eine Freigabe der ukrainischen Häfen unter anderem für den Getreideexport vor. Washington warf Moskau unterdessen nach dem Absturz einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer aggressives Verhalten vor. Russland konkretisiert indes Pläne für eine "Kriegsabgabe" von Unternehmen.
Berlin weist auf wachsendes Problem der Unterernährung hin
"Wir appellieren an die russische Regierung, diese Verlängerung auch über 60 Tage hinaus zu ermöglichen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch in Berlin im Hinblick auf das Getreideabkommen. Die russische Regierung hatte mitgeteilt, die Vereinbarung nicht wie im Vertrag festgehalten um weitere 120 Tage verlängern zu wollen, sondern nur um 60 Tage.
Die Bereitschaft beider Länder zu einer Verlängerung des Abkommens sei grundsätzlich zu begrüßen, sagte Hoffmann weiter, fügte aber hinzu, dass Getreideexporte aus der Ukraine natürlich permanent möglich sein sollten.
Das Auswärtige Amt wies darauf hin, dass nach aktuellen Zahlen derzeit 345 Millionen Menschen weltweit unterernährt seien. Das seien 69 Millionen mehr als vor Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022.
US-Verteidigungsminister wirft Russland aggressives Verhalten vor
Nach dem Absturz einer US-Militärdrohne über dem Schwarzen Meer warf US-Verteidigungsminister Lloyd Austin Russland aggressives Verhalten vor. "Der gefährliche Vorfall ist Teil eines Musters aggressiven, riskanten und unsicheren Handelns russischer Piloten in internationalem Luftraum", sagte Austin zum Auftakt eines virtuellen Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe am Mittwoch. "Es obliegt Russland, seine Militärflugzeuge auf sichere und professionelle Weise zu handhaben", sagte Austin weiter. Die USA würden weiterhin dort fliegen und operieren, wo das internationale Recht das zulasse, erklärte der Verteidigungsminister.
Nach Angaben des US-Militärs war eine unbemannte amerikanische Militärdrohne am Dienstag in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer mit einem russischen Kampfjet zusammengestoßen. US-Kräfte hätten die Drohne nach der Kollision zum Absturz bringen müssen, erklärte das US-Verteidigungsministerium.
Moskau wies die Vorwürfe zurück und erklärte, die Drohne sei nach einem scharfen Ausweichmanöver abgestürzt. Russland will die Drohne nach eigenen Angaben nun bergen. "Ich weiß nicht, ob uns das gelingt. Aber man muss das machen. Ich hoffe natürlich auf einen Erfolg", sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, am Mittwoch dem russischen Staatsfernsehen. Er sagte zudem, der Fall zeige die Beteiligung der USA an den Kampfhandlungen.
Steinmeier warnt vor voreiligen Schlüssen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte im Zusammenhang mit dem Zwischenfall vor voreiligen Schlüssen. "Natürlich müssen wir mit Sorge darauf schauen. Aber bevor wir ein Urteil fällen über die Urheberschaft, was den Absturz der Drohne angeht, sollten wir die noch laufende Aufklärung abwarten", sagte Steinmeier am Mittwoch bei einem Besuch auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland. "Wir wissen gegenwärtig noch nicht, ob es eine eher unbeabsichtigte Begegnung von Drohne und Flugzeug oder ob es ein absichtsvoll gehandelter Vorgang war." Steinmeier nutzte den Besuch in Estland, um den baltischen Nato-Partnern Estland, Lettland und Litauen den Beistand Deutschlands zuzusichern. "Die Nato ist bereit, jeden Quadratzentimeter ihres Bündnisgebiets zu verteidigen", sagte Steinmeier.
Austin: Bereits mehr als 150 Leopard-Panzer für Ukraine zugesagt
Nach Angaben des US-Verteidigungsministers wächst die Zahl der Länder, die der Ukraine Leopard-Kampfpanzer zur Verfügung stellen wollen. Bereits neun Länder hätten Zusagen von insgesamt 150 Leopard-Panzern gemacht, sagte Austin am Mittwoch.
Russland konkretisiert Pläne für "Kriegsabgabe" von Unternehmen
Mehr als ein Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine treiben Russlands Behörden aufgrund finanzieller Probleme im eigenen Land Pläne für eine Unternehmens-Sondersteuer voran. Anfang April solle genau bestimmt werden, wie viel Geld insgesamt einkassiert werden müsse und wie hoch die Abgabe für einzelne Unternehmen ausfalle, sagte der russische Vize-Finanzminister Alexej Sasanow am Mittwoch der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Zuvor hatte seine Behörde die Gesamtsumme bereits mit rund 300 Milliarden Rubel (3,7 Mrd. Euro) angegeben.
In Kraft treten solle die neue Regelung voraussichtlich Ende des Jahres, hieß es nun weiter. Ausgenommen sein sollen etwa Unternehmen der Öl- und Gasbranche. Offiziell wird in Moskau stets betont, dass es sich um eine freiwillige Einmal-Zahlung handele. Einige Beobachter haben daran jedoch Zweifel, und auch hochrangige Wirtschaftsvertreter äußerten bereits Kritik. In nicht-staatlichen Medien ist immer wieder auch von einer "Kriegsabgabe" die Rede, mit der die Führung in Moskau das Loch im Staatshaushalt teilweise stopfen wolle./sam/DP/jha