BERLIN (dpa-AFX) - Deutsche Außenpolitiker sehen in den Protesten in China eine neue Qualität und befürchten eine sehr harte Reaktion der Regierung in Peking. Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte, die extrem restriktive Corona-Politik in China sei nur mit den Machtmitteln einer Diktatur durchsetzbar und habe schon lange die "Grenzen des Akzeptablen" überschritten.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich glaube schon lange, dass die Null-Covid-Politik der Kommunistischen Partei Chinas zum Scheitern verurteilt ist. Der Druck in der Bevölkerung steigt wie in einem Dampfkessel und bricht sich nun erstmals Bahn. Dabei zeigt die Verbindung von Corona-Protesten mit Forderungen nach Freiheit und Demokratie auf dem Campus der Tsinghua-Universität eine neue Qualität."

In Politbüro und Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas könne das nur als Bedrohung des eigenen totalen Herrschaftsanspruchs gewertet werden, so Lambsdorff. "Man muss daher eine sehr harte Reaktion des Regimes befürchten. Die Proteste stehen noch ganz am Anfang. Es wäre naiv zu glauben, dass sie in diesem Stadium bereits zu fundamentalen Veränderungen führen könnten."

In China hat die strenge Corona-Politik am Wochenende zu den größten Protesten seit Jahrzehnten geführt. In der Hauptstadt Peking und anderen Millionenstädten gingen Demonstranten zu Hunderten auf die Straßen.

Der außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Schmid, sagte der dpa: "Die Proteste zeigen: Der Drang nach Freiheit ist universell." Die Menschen in China wollten sich genauso frei entfalten können wie anderswo auch. "Das sture Festhalten an der Isolationspolitik ist schon längst nicht mehr allein durch Corona zu erklären, sondern dient der Abschottung der chinesischen Gesellschaft von der Welt und damit dem Machterhalt der KP."

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Proteste dieser Art waren bislang nicht bekannt. Sie zeigen das Ausmaß der aktuellen Unzufriedenheit mit der repressiven Politik der Kommunistischen Partei." China stehe vor enormen außen- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen. "Nun kommen große innenpolitische Schwierigkeiten hinzu. Die China-Strategie der Bundesregierung muss dem Rechnung tragen."

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer neuen China-Strategie. Nach einem ersten Papier sollen die Menschenrechte eine größere Rolle spielen. Außerdem sollen Importabhängigkeiten etwa bei Rohstoffen abgebaut werden. Die Beziehungen zu Taiwan sollen ausgebaut werden.

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin erklärte, die von Xi Jinping verordnete Null-Covid-Politik zusammen mit einer gescheiterten Impfstrategie führe China in die Sackgasse. "Zum ersten Mal wird die Kommunistische Partei Chinas weitflächig mit deutlicher Kritik an ihrer Regierung konfrontiert."/hoe/DP/zb