BERLIN (dpa-AFX) - Nach fast drei Jahren Corona-Pandemie wächst in den Bundesländern die Hoffnung, dass 2023 letzte Schutzmaßnahmen fallen können und eine neue Normalität im Umgang mit dem Virus einzieht. Die Isolationspflicht für Infizierte ist teils gefallen, Maskenregeln in Bus und Bahn bröckeln. In der Ampel-Koalition trommelt vor allem die FDP für ein rasches Ende weiterer Auflagen - doch da gehen nicht alle Ministerpräsidenten mit. Die Deutsche Presse-Agentur hat sich in den Ländern umgehört und ein Stimmungsbild zum Corona-Kurs im nächsten Jahr eingeholt.

"Wenn die Pandemie zur Epidemie wird, dann ist es sinnvoll, die Verantwortung für den Infektionsschutz wieder an die Menschen zurückzugeben", sagt Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). Ähnlich hält es NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst - auch mit Blick auf Weihnachten und Silvester: "Die Menschen haben mittlerweile ein hohes Maß an Routine im Umgang mit dem Coronavirus", meint der CDU-Politiker. "Gerade für den privaten Bereich brauchen sie deshalb keine Verhaltensempfehlungen von der Politik."

Aber welche Regeln gibt das Bundesinfektionsschutzgesetz inzwischen eigentlich noch vor? Stand heute gilt: Während die Landesregierungen über die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen des Nahverkehrs selbst entscheiden können, ist für Fernzüge und Fernbusse bundesweit bis zum 7. April 2023 eine FFP2-Maskenpflicht festgeschrieben. Das Maskengebot gilt auch in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält daran vorerst fest.

Die Länder wiederum handhaben die Corona-Maßnahmen, die in ihrer Hoheit liegen, völlig unterschiedlich. Deshalb ist ein Flickenteppich an Regelungen entstanden. So ist die Maskenpflicht im Nahverkehr in Bayern und Sachsen-Anhalt bereits weggefallen, in Schleswig-Holstein läuft sie zum Jahresende aus. Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben sich von der Isolationspflicht bei positivem Test verabschiedet - und setzen stattdessen auf eine verschärfte Maskenpflicht für Infizierte.

Dies alles, obwohl jede Woche Zehntausende Corona-Infektionen und mehrere Hundert Todesfälle hinzukommen. Ziehen die anderen Länder nun nach?

"Ich denke schon, dass nächstes Jahr die Abkehr von der Maskenpflicht erfolgt", sagt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). "Wir müssen ein Stück weit zur Normalität zurückkehren." Gerade im Nahverkehr stünden die Menschen jedoch oft dicht an dicht, weshalb die Maskenpflicht zumindest im Winter wichtigen Schutz biete. Berlins Corona-Landesverordnung gilt bis 17. Januar, den weiteren Kurs will Giffey Anfang des Jahres abstecken - wobei sie ein möglichst einheitliches Vorgehen der Länder und vor allem eine gemeinsame Linie mit dem Nachbarn Brandenburg anstrebt.

Bremen hat als Ziel für das Ende der ÖPNV-Maskenpflicht den 1. März vorgegeben. Es hat mit Niedersachsen ebenfalls ein großes Flächenland zum Nachbarn. "Es ist wegen der Bedeutung des grenzüberschreitenden Verkehrs grundsätzlich sinnvoll, eine einheitliche Regelung zu haben", sagt Bürgermeister Bovenschulte. "Wenn Niedersachsen dann die Maskenpflicht ein paar Wochen später auslaufen lassen will, würden wir im Sinne der Einheitlichkeit sicherlich mitziehen."

Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gilt: Erst mal gut durch den Winter kommen. "Dann werden wir zum Frühjahr hin sicherlich darüber reden können, ob wir die Schutzvorkehrungen generell noch weiter brauchen." Auf ein konkretes Datum will sich Weil nicht festlegen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will im Januar neu entscheiden, wie es weitergeht - betont aber schon jetzt, dass ihm Eigenverantwortung beim Masketragen im Nahverkehr wichtig sei. Noch klarer positioniert sich Bayern, wo die Maskenpflicht im ÖPNV schon gefallen ist. "Wir finden es widersprüchlich, dass es eine Maskenpflicht im Zug gibt, aber im Flugzeug nicht - entweder ganz oder gar nicht", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Maskenpflicht im Fernverkehr müsse komplett fallen, "am besten mit Beginn des neuen Jahres".

Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) hält die Maskenvorgabe für einen verhältnismäßig kleinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, seine Landesregierung plane darüber hinaus auch keine weiteren Maßnahmen. Seine Erfahrung als Bürger Frankfurts: "Das Gedränge ist oft so groß in Bus und Bahn, dass ich selbst jedenfalls - auch wenn es keine Pflicht gäbe - eine Maske tragen würde."

Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) rät dazu, immer auch die "Kombination der Regelungen" im Blick zu haben. So sei die Maskenpflicht im Nahverkehr gerade deshalb beibehalten worden, weil am 10. Dezember die Isolationspflicht für Corona-Infizierte entfiel. Das Kalkül: Ein nötiges Übel ermöglicht die Aufhebung eines anderen.

Thüringen hat seine Corona-Regeln schon bis zum 3. Februar verlängert

- einschließlich der Isolationspflicht und Maskenpflicht im

Nahverkehr. Lockerungen könnte es laut Gesundheitsministerium im März geben.

Auch die Landesregierung in Schwerin möchte beide Regeln frühestens nach dem Winter kippen. ""Wir richten uns nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Experten in Mecklenburg-Vorpommern, die uns in den Jahren der Pandemie gut beraten haben", sagt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). "Und die empfehlen dringend, gerade in den Wintermonaten die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen beizubehalten und auch die Isolationspflicht." Schwesig bedauert, dass es nun von Land zu Land unterschiedliche Regeln gibt.

Ein einheitliches Vorgehen, und zwar bundesweit, hätte sich auch Hamburgs Regierungschef Peter Tschentscher (SPD) gewünscht: Er kritisierte die Alleingänge mancher Länder beim Aufheben der Isolations- und Maskenpflicht und will beide Vorgaben noch bis zum Frühjahr aufrechterhalten.

Nach dem künftigen Corona-Kurs gefragt, nennt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff keine Termine für Lockerungen. Der CDU-Mann gibt sich pragmatisch: "Wir werden sehen, wie sich das Coronavirus weiterentwickelt." Träten neue Mutationen auf, könne man kurzfristig reagieren. "Aber grundsätzlich ist es richtig, dass die Verordnungen in den Ländern auslaufen."/sk/mk/DP/he