EDINBURGH (dpa-AFX) - Ungeachtet der Entscheidung des britischen Obersten Gerichts im Streit um eine schottische Unabhängigkeit sieht eine Expertin die Befürworter einer Loslösung bereits als Gewinner. Sollte der Supreme Court in London urteilen, dass das Regionalparlament in Edinburgh keine Volksabstimmung ansetzen darf, bedeute dies, dass es sich beim Vereinigten Königreich nicht um eine freiwillige Union handele, sagte die Politologin Kirsty Hughes der Deutschen Presse-Agentur. Das Gericht würde damit der Argumentation der Regierung und der größten Oppositionspartei Labour widersprechen. "Das würde für eine schlechte Union sprechen", sagte Hughes.

Der Supreme Court will am (heutigen) Mittwoch (10.45 Uhr) seine Entscheidung bekanntgeben, ob das Regionalparlament in Edinburgh ohne Zustimmung der britischen Regierung ein Referendum einberufen darf. London bestreitet dies.

Für das wahrscheinlichste Ergebnis halten Rechtsexperten, dass das Gericht eine Entscheidung verschiebt, bis das schottische Parlament tatsächlich einen Gesetzentwurf für ein Referendum verabschiedet. Politologin Hughes sagte, auch dies würde den Unabhängigkeitsbefürwortern in die Karten spielen - wenn das Parlament in Edinburgh tatsächlich für eine Volksabstimmung votiert. Denn wenn die britische Regierung dann ihrerseits gegen ein Referendum vorginge, das von einem demokratisch gewählten Parlament beschlossen wurde, wäre dies ein weiteres Zeichen, dass London den Willen der Bevölkerung nicht ernst nehme, sagte Hughes.

Eine Entscheidung zugunsten der Unabhängigkeitsbefürworter halten Justizexperten für unwahrscheinlich, aber nicht für ausgeschlossen. Für diesen Fall hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ein Referendum für Oktober 2023 angekündigt.

Sollten die Anhänger der Union dann die Abstimmung boykottieren, würden sie undemokratisch handeln, sagte Hughes. Möglich sei auch, dass die britische Regierung versuchen werde, ein Referendum per Gesetz für illegal zu erklären. Doch das würde bedeuten, dass sich London über demokratische Entscheidungsprozesse hinwegsetze und vielmehr das Argument stützen, es handele sich nicht um eine freiwillige Union, sagte die Expertin./bvi/DP/stk