WASHINGTON (dpa-AFX) - Bei der Teilmobilmachung im Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpft das russische Militär nach Ansicht unabhängiger Experten weiterhin mit großen Problemen. Das Verteidigungsministerium habe "keine angemessenen Bedingungen geschaffen, um den Einsatz eingezogener Männer an der Front einzugliedern und zu verfolgen", schrieb die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington am Donnerstagabend (Ortszeit).

Russische Militärreporter berichteten demnach, dass die Behörden mobilisierte Soldaten an verschiedene Einheiten entsendeten, ohne deren Einsatzorte ordnungsgemäß zu dokumentieren. Daher hätten sich Familien bei der Militärführung beschwert. Zudem würden Männer mit militärischer Erfahrung in Einheiten eingesetzt, die nicht ihren Fähigkeiten entsprächen. Nach Ansicht eines Reporters könnte dies dazu führen, dass Mütter und Ehefrauen Menschenrechtsgruppen gründeten, die "Russland von innen heraus zerreißen werden".

Zur Ausgleichung bedeutender Verluste hatte Präsident Wladimir Putin im September eine Teilmobilisierung von 300 000 Soldaten angekündigt. Hunderttausende Männer sind vor der Einberufung ins Ausland geflohen. Die eingezogenen Soldaten werden nach Berichten oft ohne Ausbildung und schlecht bewaffnet an die Front geschickt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte das Vorgehen. Die russischen Generäle verheizten die mobilisierten Männer auf diese Weise als "Kanonenfutter", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache am Donnerstagabend. Dennoch machten sie die Aufgabe für die ukrainischen Verteidiger schwieriger.

Der Kreml versuche zudem nationalistische Hardliner mit Vergeltungsschlägen gegen die Ukraine zu beschwichtigen und von den anhaltenden Problemen bei der Mobilisierung abzulenken, hieß es im ISW-Bericht weiter. Nach Gebietsgewinnen des ukrainischen Militärs im Osten und Süden des Landes in den vergangenen Wochen war die Kritik in Russland am Kreml und der Militärführung lauter geworden. Einige Hardliner hätten laut ISW erneut gefordert, hochrangige Beamte und Kommandeure auszutauschen und den Krieg zu erklären. In Russland heißt dieser offiziell nach wie vor militärische Spezialoperation./vtc/DP/ngu