LONDON (dpa-AFX) - Vor einer wegweisenden Gerichtsverhandlung sieht der britische Verfassungsexperte John Curtice noch viele Hürden im Ringen Schottlands um Unabhängigkeit. Von Dienstag an soll am obersten britischen Gericht darüber verhandelt werden, ob die schottische Regierung auch ohne Zustimmung aus London darüber abstimmen lassen darf, ob Schottland unabhängig werden soll. "Selbst wenn der Supreme Court zugunsten der schottischen Regierung entscheidet, könnte die britische Regierung ein solches Referendum immer noch stoppen", sagte der Politologe von der Universität Strathclyde im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will ihre Landsleute im Herbst 2023 - sofern das oberste britische Gericht grünes Licht gibt - abstimmen lassen, ob Schottland unabhängig vom Vereinigten Königreich werden soll oder nicht. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Zentralregierung in London einer Volksbefragung zustimmen muss. Sturgeon will nun vom Supreme Court wissen, ob sie auch ohne diese Zustimmung die Befugnis hat, die Abstimmung anzusetzen.

Experte Curtice hält es jedoch längst nicht für ausgemacht, dass die Entscheidung zugunsten von Edinburgh ausfallen wird. Insbesondere wenn die schottische Regierung beim Referendum - wie bereits 2014 - das Volk direkt nach einem Ja oder Nein zur Unabhängigkeit fragen wolle, seien viele Anwälte der Ansicht, dass dies die Chancen auf einen Erfolg verringere. Entscheide der Supreme Court dennoch zugunsten Sturgeons, könne London immer noch Gesetze verabschieden, die ein Referendum verhindern könnten, sagte Curtice.

Darüber hinaus sei es möglich, dass der Supreme Court sich entscheide, gar kein Urteil in der Frage zu fällen. "Je unklarer die Entscheidung wird, desto schwieriger für die schottische Regierung, diese politisch zu nutzen", sagte der Experte. In jedem Fall ist noch Geduld gefragt: Eine Entscheidung soll erst Wochen später kommen.

Bei einer ersten Volksabstimmung 2014 hatte sich eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der Union mit Großbritannien ausgesprochen. Für London ist die Frage damit langfristig entschieden. Sturgeon aber argumentiert, dass der Brexit, den die Schotten 2016 deutlich abgelehnt haben, die Ausgangslage verändert habe. Sie will ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen./swe/DP/zb