HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental schleppt weiter große Probleme mit sich herum. So schlagen dieses Jahr die Kostensteigerungen bei Material, Frachten und Energie in Milliardenhöhe zu Buche, aber auch bei der Regeltreue im Unternehmen muss Vorstandschef Nikolai Setzer nachsteuern. An diesem Donnerstag (10. November) legt Conti die Zahlen für das dritte Quartal vor.
DAS IST LOS BEI CONTI:
Bei den Autobauern lief das Geschäft - und für Conti vor allem wichtig - auch die Produktion deutlich besser als in den Vorjahresmonaten. Das dürfte insgesamt einen Schub gegeben haben, auch wenn noch nicht alle Probleme rund um Chipversorgung und regionale Covid-Lockdowns in China vom Tisch sind.
Bauchschmerzen dürfte dem Management vor allem weiter die Lage rund um Kostensteigerungen bei Energie, Rohmaterialien und in der Logistik machen. Conti hat dafür 2022 Mehrkosten gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 3,5 Milliarden Euro einkalkuliert.
Im zweiten Quartal war Conti in die roten Zahlen gerutscht, weil die hohen Kosten zusammen mit Abschreibungen in der Autozuliefersparte und für die Russland-Geschäfte das Ergebnis belasteten. Aber in der Autozulieferung hatten die Hannoveraner auch operativ einen Verlust eingefahren. Finanzchefin Katja Dürrfeld hatte von einem "orkanartigen" Gegenwind gesprochen, aber für das zweite Halbjahr Besserung angekündigt.
Unter anderem spricht das Unternehmen mit Kunden darüber, wie die gestiegenen Kosten über höhere Preise an diese weitergegeben werden können. Im ersten Halbjahr hatte das Unternehmen Dürrfeld zufolge in der Autosparte die Hälfte der selbstgesteckten Ziele für Kostenweitergabe über Preiserhöhungen erreicht.
Immerhin: Im Reifenbereich laufen die Geschäfte angesichts der Umstände weiter ordentlich, wenn auch vielleicht nicht ganz so rosig wie von vielen Investoren erhofft. Der italienische Konkurrent Pirelli
Sorgen macht Conti-Chef Setzer auch die Compliance im Unternehmen. So wurden unlängst Qualitätsprobleme bei Industrieschläuchen bekannt, bei dem Mitarbeiter wohl entsprechende interne Testergebnisse verfälscht haben. So gingen neben Schläuchen für Klimaanlagen auch Betankungs-, Wasser- und Dampfleitungen an die Kunden, die nicht den vereinbarten Kriterien entsprachen. Der direkte wirtschaftliche Schaden dürfte sich zwar in Grenzen halten - das betroffene Werk der Kunststofftechniktochter Contitech in Korbach trug 2021 mit der Schlauchproduktion einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zum Konzernumsatz bei. Ob das Thema bei den Kunden aber nicht einen faden Nachgeschmack hinterlässt, ist bislang offen.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Credit-Suisse-Experte Richard Carlson rechnet im Autozuliefergeschäft mit einem guten Quartal, aber Kosten-Gegenwind im Reifenbereich. Dank diszipliniert durchgeführter Preiserhöhungen sehe er ermutigende Signale in der Automobilsparte, schrieb auch JPMorgan-Experte Jose Asumendi. Barclays-Analyst Erwann Dagorne rechnet derweil mit einem signifikanten Liquiditätsverbrauch.
Nach den Halbjahreszahlen resümierte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler, die Jahresziele von Conti seien in Gefahr. Die Gefahr sei groß, dass Haushalte Reifenkäufe aufschöben und die Sparte im zweiten Halbjahr enttäusche, schrieb er Ende August.
UBS-Analyst Patrick Hummel sieht ebenfalls vor allem durch die aufziehenden konjunkturellen Turbulenzen Probleme für die Branche. Weil sich in einigen Monaten ein Überangebot am Automarkt bilden dürfte, sieht er die Gewinne in der Branche massiv unter Druck, vor allem bei den Massenherstellern, die für das Brot- und Buttergeschäft der Zulieferer so wichtig sind.
Insgesamt sind die Analysten verhalten gestimmt. Von 14 Stimmen, die dpa-AFX seit den Halbjahreszahlen erfasst hat, haben nur drei eine Kaufempfehlung, acht sind für "Halten" und wiederum drei raten zum Verkauf der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 66 Euro, während der Kurs selbst derzeit bei um die 56 Euro notiert.
Die vierzehn vom Unternehmen befragten Fachleute rechnen im Quartal mit einem Umsatzanstieg von rund einem Viertel auf 10 Milliarden Euro. Dabei dürfte auch der schwache Euro beflügelt haben. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern dürfte 519 Millionen Euro betragen - ebenfalls fast ein Viertel mehr als vor einem Jahr. Unter dem Strich sollten demnach 228 Millionen Euro Gewinn stehen und damit etwas weniger als vor Jahresfrist. Vor einem Jahr hatte Conti die Abspaltung und den Spin-Off der ehemaligen Antriebstochter Vitesco vollzogen.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Während die Aktie der ehemaligen Tochter Vitesco in diesem Jahr gegen den Markttrend ordentlich zulegen konnte, sieht es bei Conti ganz anders aus. Das Papier der Hannoveraner verlor rund 40 Prozent, während es bei den Regensburgern um mehr als ein Viertel nach oben ging. So schmolz der Börsenwert von Conti auf derzeit rund 11,2 Milliarden Euro ab. Vitesco kommt auf gut 2,2 Milliarden Euro. Bei Vitesco ist neben der Verbrennertechnik auch das Geschäft mit Elektroantrieben gebündelt.
46 Prozent der Conti-Aktien gehören seit dem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise 2008/09 der Industriellenfamilie Schaeffler, die auch den gleichnamigen fränkischen Auto- und Industriezulieferer
Neben den nicht börsennotierten deutschen Zulieferriesen Bosch und ZF steht Conti unter anderem mit den Japanern von Denso (umgerechnet rund 38 Milliarden Euro Börsenwert), dem in den USA notierten irischen Konzern Aptiv (27 Mrd Euro) sowie mit den Franzosen von Valeo
Auf der Reifenseite sind vor allem Michelin