KÖLN (dpa-AFX) - Der wohl bekannteste ARD-Intendant Tom Buhrow hat die Geschäfte an der Spitze des Westdeutschen Rundfunks (WDR) an seine Nachfolgerin Katrin Vernau übergeben. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagte die 51 Jahre alte Managerin auf die Frage, wie sie sich mit Blick auf ihren prominenten Vorgänger bekannter machen wolle: "Die Frage ist, inwieweit das überhaupt notwendig ist. Unser Hauptdarsteller ist unser Programm - und unsere Akteure im Programm."

Vernau, die zuvor Verwaltungsdirektorin im WDR war und als Interims-Intendantin in der RBB-Krise aushalf, ergänzte: "Natürlich werde ich den WDR auch als Intendantin repräsentieren - in dem Maße, in dem das für den Sender nützlich und sinnvoll ist."

Stürmische Zeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Die 51-Jährige ist kein Gewächs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie es bei vielen anderen Karrieren in den Häusern üblich ist. Buhrow holte die Managerin vor Jahren zum WDR als Verwaltungsdirektorin. Sie brachte Erfahrungen als Kanzlerin von Universitäten und von der Unternehmensberatung mit. Die 51-Jährige setzte sich bei der WDR-Intendantenwahl gegen den langjährigen WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn durch. Sie verwaltet den WDR, der im Jahr 2023 rund 1,3 Milliarden Euro an Einnahmen durch den Rundfunkbeitrag hatte.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ARD, ZDF und Deutschlandradio schlägt in diesen Zeiten rauer Wind entgegen. Die Rufe aus der Politik nach mehr Sparen und effizienterem Arbeiten wurden lauter. Es gibt einen Streit um die Höhe des Rundfunkbeitrags, der inzwischen beim Bundesverfassungsgericht gelandet ist. Und auch im WDR selbst mit seinen rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rumort es derzeit - es laufen Tarifverhandlungen.

Vernau selbst wird nach eigenen Angaben weniger Geld verdienen als ihr Vorgänger. Das Gehalt des Senderchefs an der Spitze des größten ARD-Senders mit zuletzt mehr als 400.000 Euro steht seit Jahren immer wieder im Fokus von Medienberichten, weil es im Vergleich bislang das höchste war. Vernau sagte im Interview: "Der WDR wird mit Sicherheit nicht mehr ganz oben stehen. Und das verstehe ich auch, weil die Intendantengehälter in der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen." Die Managerin ergänzte: "Mir wurde bereits im Bewerbungsverfahren signalisiert, dass ich rund 20 Prozent weniger bekomme als mein Vorgänger. Ich habe das akzeptiert."

"Ich habe zumindest noch nie gehört, der WDR sei zu konservativ"

Die neue Senderchefin ging im dpa-Gespräch auch auf Vorwürfe aus den vergangenen Jahren ein, dass es beim WDR einen angeblichen Linksdrift in den Redaktionen geben könnte. Auf die Frage, ob sie konservative Stimmen im WDR vermisse, sagte Vernau: "Ich habe zumindest noch nie gehört, der WDR sei zu konservativ."

Sie regte an: "Wir müssen uns immer wieder bei Einladungen von Talk-Gästen, aber auch in unserer Berichterstattung fragen: Haben wir wirklich alle Perspektiven vertreten, die man zu so einem Thema einnehmen kann?" Vernau erwähnte auch die Wirtschaftsberichterstattung. "Ich bin Ökonomin und mir fehlt häufig die Betrachtung auch aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive. Die Zusammenhänge hinter bestimmten Konflikten, etwa beim Verlust von Arbeitsplätzen. Der ist für die einzelnen Menschen schlimm, aber dafür gibt es auch volkswirtschaftliche Hintergründe. Die genauer zu erläutern ist etwas, das ich stärken möchte."

Nach RBB-Krise: "Wir spüren die Nachbeben immer noch"

Vernau wurde bundesweit bekannt, als sie im Herbst 2022 in Berlin aushalf, nachdem der ARD-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in eine tiefe Krise um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung gestürzt war. Als Interims-Intendantin räumte sie im Sender auf und erstellte einen Millionen-Sparplan. Sie setzte auch einem Millionen-Bauprojekt ihrer Vorgängerin Patricia Schlesinger ein Ende.

Auf die Frage, ob es ihr in der RBB-Krise geholfen habe, dass sie kein Kind des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei, sagte Vernau: "Es ist mir beim RBB sicher einfacher gefallen, die schwierigen Entscheidungen beim Weglassen im Programm zu treffen, weil es nicht meine eigenen Babys waren. Das ist für Programmmacher viel schwieriger: etwas wegzulassen, was sie vielleicht auch selber aufgebaut und über Jahre begleitet haben." Zudem habe ihr die Erfahrung in der Unternehmensberatung geholfen.

Der RBB-Skandal habe auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen großen Reputationsschaden verursacht. "Wir spüren die Nachbeben immer noch, weil wir einfach viel stärker unter Beobachtung sind und infrage gestellt werden. Das hat auch sein Gutes, viele Dinge sind jetzt in Gang gekommen, die sonst, zumindest in der Geschwindigkeit, nicht passiert wären."/rin/DP/he