BELFAST (dpa-AFX) - Die von London kritisierten Brexit-Sonderregeln stärken die Wirtschaft in der britischen Provinz Nordirland. Das legen Handelsdaten sowie ökonomische Modelle nahe. Verbraucher in der früheren Bürgerkriegsregion müssen demnach allerdings mit höheren Preisen rechnen als im theoretischen Fall, dass das Vereinigte Königreich weiterhin Teil der EU wäre.

Der Wert britischer Verkäufe nach Nordirland stieg 2021 - also nach der Einführung des sogenannten Nordirland-Protokolls - im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent, wie das nordirische Statistikamt mitteilte. Nordirische Verkäufe nach Großbritannien nahmen um 13 Prozent zu. Exporte in den benachbarten EU-Mitgliedstaat Irland sowie in die restlichen EU-Länder stiegen noch deutlicher. Das Statistikamt betonte, Auswirkungen der Inflation seien nicht eingerechnet.

Im Gegensatz zu Großbritannien ist Nordirland auch nach dem Brexit de facto Mitglied der EU-Zollunion und des -Binnenmarkts. Diese Regelung - soll eine harte Grenze zu Irland und damit ein Wiederaufflammen alter Konflikte verhindern. Allerdings entstand eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Es kam zu Handelshemmnissen, einige britische Firmen stellten die Lieferungen nach Nordirland ein. Die meist protestantischen Anhänger der Union fürchten, dass das Protokoll die Wiedervereinigung des Landesteils mit Irland fördert, wie sie vor allem Katholiken fordern. Die Regierung in London droht deshalb der EU mit dem Bruch des Abkommens.

Modellberechnungen der Universität Sussex ergaben allerdings im Widerspruch zu britischen und unionistischen Politikern, dass das Protokoll die nordirische Wirtschaft sogar fördert. Demnach werde die Produktion in dem Landesteil um 2,2 Prozent zulegen - verglichen mit einem Verbleib des Königreichs in der EU.

Dank des Protokolls hätten die Produzenten guten Zugang sowohl zum britischen als auch zum EU-Markt, aber wegen der Zollgrenze auch weniger Konkurrenz aus Großbritannien. Allerdings bedeuteten die Zollhürden für britische Waren zugleich, dass Verbraucherpreise - wieder im Vergleich zum EU-Verbleib - um 4,3 Prozent zulegen. Damit reduziere sich der gesamtwirtschaftliche Wohlstand um 2,4 Prozent./bvi/DP/ngu