FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Ein französischer Trader hat offenbar eine gewagte Wette auf den Wahlsieg Donald Trumps platziert. Die Wette ging bekanntlich auf. Ob und, wenn ja, welche Lehren Anlegende aus dem "Fall Theo" ziehen sollten, wägt Ali Masarwah ab, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Envestor.

18. November 2024. FRANKFURT (envestor). Nach der US-Wahl kam der Kater - nicht nur bei den US-Demokraten, der europäischen Autoindustrie und der Kommunistischen Partei Chinas. Mit dem überraschenden Wahlsieg Donald Trumps dürften auch viele Meinungsforscher hadern, die erneut das Enfant Terrible unterschätzt hatten. Auch wenn die Prognosen treffsicherer waren als 2016 und 2020 wird offenbar nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich Trump-Wähler von Umfragen häufig fernhalten.

Hier kommt "Theo" ins Spiel. Der Trader, der es vorzieht, nur seinen Vornamen zu nennen, hat das Problem des "scheuen Trump-Wählers" mit einer unkonventionellen Umfrage gelöst: Er fragte: "Wen würde Ihr Nachbar wählen?" Die Antworten bestärkten ihn, eine Millionen-Wette auf der Krypto-Wettbörse Polymarket auf einen Trump-Sieg zu platzieren. Die Giga-Wette hatte zur Folge, dass Polymarket dem Wahlsieg Trumps eine viel höhere Wahrscheinlichkeit einräumte als alle Umfrage-Institute. Finanzmedien rätselten, ob die Wettmärkte manipuliert seien. Das Ergebnis der Wahl ist Legende, und "Theo" machte einen Reibach.

Was können wir aus "Theos" Erfolg lernen?

Keine gute Idee wäre es, wenn Anlegende als Lehre aus dem "Fall Theo" jetzt daher gehen würden und aufgrund selbst entwickelter Thesen wilde Wetten auf die Entwicklung von Aktien, Indizes oder Marktereignissen zu platzieren. Wer für sich in Anspruch nimmt, aufgrund eines Bauchgefühls die Trader von Goldman, JPMorgan und Co. herauszufordern, sollte sich über eine finanzielle Bauchlandung nicht beschweren.

Zudem sollten sich Privatanlegerinnen und Privatanleger ihrer Möglichkeiten Bewusst sein. "Theo" hatte offenbar zur Validierung seiner Investment-These ein Umfrage-Institut beauftragt. Das dürfte ein erkleckliches Sümmchen gekostet haben. Derartiges Research zu betreiben, dürfte die Möglichkeiten von 99,9 Prozent der Otto-Normal-Anlegenden übersteigen. ?"hnlich verhält es sich übrigens mit der Warren-Buffett-Strategie, die Anlegende ebenfalls nur eingeschränkt nachahmen können. Buffett stehen für Übernahmen die Prämien-Einnahmen seiner Holding als Hebel zur Verfügung. Wir dagegen können nur - mit reichlich viel Zeitverzögerung - nachvollziehen, in welche börsennotierte Unternehmen Berkshire Hathaway investiert hat.

Anlegende sollten den "Fall Theo" als anekdotische Evidenz dafür verwenden, dass es sich lohnen kann, die Narrative des Investment-Mainstreams zu hinterfragen und dadurch unangemessen hohe Risiken zu vermeiden, die uns die Märkte servieren. Risiken mit niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeiten bei zugleich heftigen Folgen können Anleger teuer zu stehen kommen.

Wer sich gegen sogenannte "Low Probability, High Impact"-Events absichert, kann sein Portfolio unter Umständen vor Verlusten schützen. Historische Beispiele hierfür sind die Rückkehr der Inflation 2022. Wer angesichts steigender Renditen am Anleihenmarkt in klassischen Bond-ETFs investiert blieb oder weiter unverdrossen auf High-Growth-Aktien setzte, erlitt hohe Verluste.

Auch die Brexit-Abstimmung bzw. deren Folgen sind ein gutes Beispiel für die hohen Kosten des Eintritts scheinbar unwahrscheinlicher Events. Das Brexit-Chaos setzte britischen Assets (Aktien, Anleihen, dem Britischen Pfund) über Jahre massiv zu. Anleger in klassischen Europa-ETFs guckten in die Röhre: Britische Aktien machten vor dem Brexit-Votum rund ein Drittel des europäischen Aktienmarkts aus. Die Underperformance britischer Aktien hat Anlegenden in Europa-Aktien-ETFs etwa auf den MSCI Europe oder STOXX Europe zwischen 2016 und 2021 zugesetzt.

Theos Geschichte sollte uns nicht zu größenwahnsinnigen Wetten veranlassen, uns aber inspirieren, konventionelle Weisheiten zu hinterfragen. Zwischen schädlichem Herdentrieb und Schwarmintelligenz zu unterscheiden, ist ein Balance-Akt. Auf diesem schmalen Grat muss übrigens auch "Theo" wandeln. Ob er erneut gegen den Rest der Welt wetten wird, werden wir vermutlich nie erfahren.

Von Ali Masarwah, 18. November 2024, © envestor.de

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.

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