FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 2. November 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Börsianer sind derzeit in zweierlei Hinsicht nicht zu beneiden. Da steht zum einen heute Abend nach europäischer Zeit, wenige Stunden nach unserer jüngsten Sentiment-Erhebung, das Ergebnis der zweitägigen Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank an. Und es dürfte nicht wenige Akteure geben, die auf jedes Wort, auf jeden Unterton von Fed-Chef Jerome Powell in der sich anschließenden Pressekonferenz achten werden. Denn es kommt gerade, nachdem etwa die Zentralbanken Australiens und Kanadas die Zinsen moderater als erwartet erhöht haben, auf die Kommunikation an, ob die US-Notenbank mit der Ankündigung aufwarten wird, nach der so gut wie sicher erscheinenden heutigen Anhebung um 75 Basispunkte das Tempo bei den nächsten Zinsschritten nach oben etwas zu drosseln.

Auf der anderen Seite scheinen sich nach der eindrucksvollen DAX-Aufwärtsbewegung um zeitweise mehr 13 Prozent seit Anfang Oktober einige Analysten nicht mehr ganz sicher zu sein, ob es sich dabei nach wie vor nur um eine Rallye im Bärenmarkt handelt oder ob der Abwärtstrend des DAX tatsächlich nachhaltig gebrochen werden konnte.

Privatanleger setzen zunehmend auf Aufwärtstrend

Unterdessen hat sich die Stimmung unter den von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont etwas verschlechtert. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 5 Punkte auf einen neuen Stand von +4 gefallen. Nicht zuletzt, weil einige Optimisten angesichts des dritten DAX-Anstiegs in Folge ihre Gewinne mitgenommen haben. Die Mehrheit von ihnen ist dabei direkt auf die Bärenseite gewechselt und hat somit die eigene Position um 180 Grad gedreht. Dennoch bleibt es bemerkenswert, dass die Aktivität in diesem Panel während der vergangenen fünf Wochen erstaunlich gering geblieben ist.

Genau in die andere Richtung weist die Entwicklung bei den Privatanlegern. Dort hat sich die Stimmung deutlich verbessert, denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist in diesem Panel um 8 Punkte auf einen neuen Stand von +12 gestiegen. Per Saldo scheinen dabei einige Bären - es handelt sich immerhin um 4 Prozent aller Befragten - das Handtuch geworfen zu haben. Im gleichen Zuge hat sich die Gruppe der Optimisten ähnlich stark vergrößert, sie befindet sich sogar auf dem höchsten Stand seit dem 16. Februar dieses Jahres.

Ausgeblendete Risiken

Mit der heutigen Befragung hat sich eine Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren ergeben. Die Differenz der Sentiment-Indizes beider Panels von +8 zugunsten der Privatanleger mag vordergründig betrachtet recht harmlos aussehen. Tatsächlich bleibt jedoch festzuhalten, dass Letztere noch in der Vorwoche weniger optimistisch als ihre institutionellen Pendants eingestellt waren. Offenbar scheint sich vor allen Dingen bei den Privatanlegern die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass der DAX noch Luft nach oben hat, mithin ein Ende des Abwärtstrends angezeigt sein könnte. Und das, obwohl der DAX allein während der vergangenen drei Wochen stichtagsbezogen bereits fast 10 Prozent an Wert gewonnen hat.

Aber auch bei den institutionellen Investoren ist die Stimmung nicht schlecht, vor allen Dingen auf Sicht der vergangenen drei Monate. Zumindest haben die bevorstehenden Ereignisrisiken, oben genannte Fed-Sitzung, aber auch die bevorstehenden Zwischenwahlen zum US-Kongress am kommenden Dienstag, nicht zu größeren Positionsverschiebungen geführt. Auch hat es den Anschein, dass bei vielen Akteuren die geopolitischen Risiken fast komplett ausgeblendet sind. Allerdings stellt der leichte Optimismus beider Panels nach wie vor keine Bedrohung für den DAX dar - die Stimmung der heimischen Investoren dürfte zurzeit auch die Entwicklung der langfristigen Kapitalströme widerspiegeln.

2. November 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)