FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 16. November 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es bedurfte eigentlich nur eines einzigen Wirtschaftsdatums, nach dessen Veröffentlichung sich die Welt der Börsianer auch hierzulande völlig verändert hat. Die Rede ist von den US-Konsumentenpreisen, die am vergangenen Donnerstag publiziert wurden und deren Index im Oktober hinter den Erwartungen vieler Ökonomen zurückgeblieben war. Gleichzeitig wurde damit der bis dahin als größtes Extremrisiko wahrgenommenen Angst vor einer hoch bleibenden Inflation - dies ergab die gestern veröffentlichte Fondsmanagerumfrage der Bank of America für den Monat November - ein massiver Dämpfer versetzt. Die daraus resultierende Hoffnung vieler Akteure, der Höhepunkt der Inflationsentwicklung in den USA könnte möglicherweise hinter uns liegen, bekam regelrecht Flügel. Nicht nur Aktien haussierten, sondern auch andere Märkte wie US-Staatsanleihen oder auch der Euro gegenüber dem US-Dollar reagierten deutlich, mitunter auch heftig. Am Ende konnte auch der DAX seit unserer vergangenen Stimmungserhebung zum fünften Mal hintereinander einen Wochengewinn, dieses Mal in Höhe von rund 5 Prozent, für sich verbuchen.

aber nicht bei uns

Auch wenn die kräftige Entwicklung an den Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks zum Ende der vergangenen Woche von Stop-loss-Käufen gekennzeichnet war und somit ein Indiz für eine Kapitulation der Bären dargestellt haben könnte, scheint dies nicht für die von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont zu gelten. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist gegenüber der Vorwoche zum dritten Mal hintereinander trotz deutlich gestiegener Kurse gefallen, dieses Mal besonders kräftig um 17 Punkte auf einen neuen Stand von -23. Dabei hat sich die Gruppe der Bullen um 10 Prozentpunkte auf den niedrigsten Stand seit dem 17. August verringert. Eine Mehrheit von über zwei Drittel dieser ehemaligen Optimisten hat sich direkt auf die Bärenseite geschlagen, mithin ihre Position um 180 Grad gedreht, während sich die übrigen zu den neutral gestimmten Investoren gesellt und sich somit mit Gewinnmitnahmen zufrieden gegeben haben.

Auch bei den Privatanlegern gab es eine Reaktion in die gleiche Richtung, wenngleich auch nur in ganz geringem Ausmaß. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel ist nämlich lediglich um 2 Punkte auf einen neuen Stand von +15 gefallen, mehrheitlich durch leichte Gewinnmitnahmen ehemaliger Optimisten.

Deutliche Verlustaversion

Mit der heutigen Befragung hat sich die Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren gegenüber der Vorwoche nochmals deutlich vergrößert. Dass dabei die institutionellen Investoren wesentlich pessimistischer eingestellt sind als ihre privaten Pendants, mag möglicherweise daran liegen, dass jene vor Abgabe ihres Votums bereits über die Nachricht eines Raketeneinschlags in Polen verfügten und somit womöglich bereits gestern Abend noch mit Absicherungen am Aktienmarkt tätig wurden. Vieles spricht allerdings dafür, dass die Vorpositionierungen - die institutionellen Investoren waren bereits in der Vorwoche mehrheitlich pessimistisch eingestellt - per Saldo vielfach nicht geschlossen, sondern sogar mancherorts erhöht wurden. Vielleicht ist es aber auch schlicht die Aversion einiger Bären gewesen, aufgelaufene Verluste zu realisieren.

Wie auch immer, bleibt festzuhalten, dass der DAX trotz dieser dem Pessimismus zugrunde liegenden Abgaben bis zum Erhebungszeitpunkt gegenüber dem gestrigen Höchststand von rund 14.440 Zählern kaum Federn lassen musste. Nicht zuletzt, weil vieles (auch die oben genannte Umfrage der Bank of America) dafür spricht, dass das Börsenbarometer von langfristigen Kapitalzuflüssen profitiert hat. Die mehrheitlich bearishen heimischen institutionellen Investoren dürften jedenfalls nach einem veritablen Rücksetzer des DAX (ca. 13.750/13.800 Zähler) vermutlich wieder als Käufer auftreten. Oder im schlimmsten Fall einem weiter steigenden Aktienmarkt hinterher laufen müssen.

16. November 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)