FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Am Ölmarkt wächst die Sorge vor weiter steigenden Preisen durch das EU-Ölembargo gegen Russland. Doch wenn Chinas Wirtschaft Fahrt aufnimmt, können auch andere Rohstoffe teurer werden.
3. November 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Rohstoffpreise haben sich im Oktober recht unterschiedlich entwickelt. Während die Ölpreise und auch die Preise für Industriemetalle gestiegen sind, entspannte sich die Situation bei Gas. Gold wurde ebenfalls günstiger.
Nach den monatelangen Verteuerungen, die bis zum Spätsommer den breiten Rohstoffmarkt erfasst hatten, sind viele Rohstoffe inzwischen preiswerter als zu Jahresbeginn. Die Hoffnung auf eine niedrigere Inflation erfüllt sich damit noch nicht. Die Verbraucherpreise sind im Oktober um 10,4 Prozent gestiegen und damit stärker als erwartet. Im Monatsbericht Oktober geht die Bundesbank davon aus, dass die Preise hoch bleiben, obwohl Entlastungen bei den Energiepreisen in Kraft getreten bzw. angekündigt sind.
China könnte Preise wieder treiben
Michael Blumenroth von der Deutschen Bank verweist auf die Abhängigkeit der Energiepreise von den konjunkturellen Entwicklungen, vor allem in China: "Die Preisentwicklung in den kommenden Wochen dürfte zu einem großen Teil davon abhängen, inwiefern sich die Rezessionssorgen weiter manifestieren. Diese waren an den Märkten in den vergangenen Wochen mal stärker und mal schwächer eingepreist", kommentiert Blumenroth. Sollte China von der Null-Covid-Politik abrücken, würde dies auf alle Rohstoffprese starke Effekte haben. "Drohen hingegen in chinesischen Industriezentren erneute Lock-downs, dürfte das die Nachfrage nach Metallen und Öl deutlich dämpfen."
EU-Ölembargo als Preistreiber
Öl der Nordseesorte Brent ist im Monatsvergleich um gut 10 Prozent teurer geworden, wozu vor allem der Anstieg Anfang Oktober beigetragen hat. Mit einem Preis von rund 95 US-Dollar ist der Rohstoff gut 20 Prozent teurer als zu Jahresbeginn.
Ab Dezember beziehen die meisten EU-Staaten kein Öl mehr aus Russland. Dann tritt das russische Ölembargo in Kraft, ab Februar gilt es auch für russische Dieselexporte. Der Ölmarkt dürfte daher in den kommenden Monaten enger werden. Die Freigabe der strategischen Bestände der USA gleiche lediglich die Produktionskürzungen der OPEC+ aus, kommentiert Michael Ott von der Commerzbank. Auf der anderen Seite bleibt nach Einschätzung von Ott die Nachfrage durch Subventionen und die Substitution von Gas gestützt und relativ zum schwachen Konjunkturtrend robust. "Angesichts der niedrigen Lagerbestände, droht vor diesem Hintergrund ein deutlicher Ölpreisanstieg."
Auch längerfristig ist nach Otts Einschätzung mit hohen Preisen zu rechnen, da das Abschöpfen von "Übergewinnen" sowie Preisbegrenzungen zusätzlich zu den Zielen, Öl, Gas und Kohle zu ersetzen, die Investitionen und damit das Angebot dämpfen. "Für Entlastung könnten aber Sanktionslockerungen gegen die beiden Ölschwergewichte Iran und Venezuela sorgen."
Gas auf Monatssicht günstiger
Der Gaspreis steht ebenfalls deutlich höher als zu Beginn des Jahres, ist aber auf Monatssicht deutlich gesunken. Der Dezember-Terminkontrakt für niederländisches Erdgas, Dutch TTF, fiel von 176 Euro je Magewattstunde Anfang Oktober auf 116,19 Euro. Ende August hatte er noch 349,87 Euro gekostet.
Mobeen Tahir von WisdomTree meldet für die vergangenen Wochen Abflüsse aus Energie-ETCs. Rege wurde vor allem der WisdomTree Natural Gas 3x Daily Short Kurs (IE00B76BRD76) gehandelt.
Industriemetalle niedriger, Angebot knapper
Auch die Preise für Industriemetalle sind auf Jahressicht gesunken. Der ETC Wisdom Tree Industrial Metals (GB00B15KYG56) kostet deutlich weniger. Kurzfristig schwanken sie zum Teil stark. So wurde Kupfer in den vergangenen vier Wochen zwischen 7.370 und 7.850 US-Dollar gehandelt und notiert mit rund 7.522 US-Dollar nun 20 Prozent unter dem Preis vom Jahresanfang.
Für die weitere Preisentwicklung der Industriemetalle dürfte nach Ansicht von Blumenroth auch die Entwicklung der Energieversorgung in Europa - vor allem mit Blick auf Erdgas - wegweisend sein.
Tahir von WisdomTree hält es für möglich, dass das Angebot an Industriemetallen in den kommenden Monaten noch knapper wird. "Damit werden spürbare Preisanstiege, wenn sich das makroökonomische Umfeld verbessert, wahrscheinlich." In den vergangenen vier Wochen waren die Abflüsse aus Industriemetall-ETCs moderat.
Abflüsse aus Gold-ETCs - US-Renditen als Konkurrenz
Besonders auffallend sind auf Monatssicht die Abflüsse aus Gold-ETCs, die nach Angaben von WisdomTree die Abflüsse aller anderen Rohstoff-ETCs übersteigen.
Hohe Umsätze weisen auch der Invesco Physical Gold (IE00B579F325) und der Xtrackers Physical Gold EUR Hedged (DE000A1EK0G3) auf.
Xetra-Gold (DE000A0S9GB0) ist weiterhin der meistgehandelte ETC an der Frankfurter Börse. Mit 236 Tonnen ist der Bestand weiterhin hoch, allerdings in den vergangenen Wochen ebenfalls leicht abgefallen.
Gold, das zu Beginn des Oktobers noch 1.730 US-Dollar gekostet hat, ist zeitweise auf 1.600 US-Dollar gesunken. Blumenroth verweist auf die Entwicklung der Realzinsen, die auf Grund steigender Renditen insbesondere bei US-Staatsanleihen die Edelmetalle Gold und Silber ausbremsen würden. "US-Renditen in Höhe von mehr als 4 Prozent über die Laufzeitkurve hinweg sind eine harte Konkurrenz für die edlen Metalle."
Nach Einschätzung von Tahir hat sich hier der Fokus der Anleger*innen von der anhaltend hohen Inflation auf die straffe Geldpolitik und die Aussicht auf eine Rezession verlagert. Obwohl die Fundamentaldaten in vielen Fällen weiterhin günstig seien, was heiße, dass das Angebot vieler Rohstoffe im Verhältnis zur Nachfrage knapper werde, sei die Nachfrage gesunken.
von: Antje Erhard, 3. November 2022, © Deutsche Börse AG
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