FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Aktienkurse steigen und steigen, Investoren hierzulande verkaufen und gehen sogar short. Die Gründe dafür und warum das kein schlechtes Zeichen sein muss, weiß Joachim Goldberg.

11. Januar 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nun hat der DAX in den ersten zehn Tagen des neuen Jahres eindrucksvoll das nachgeholt, was man vor Weihnachten als Jahresschlussrallye bezeichnet hätte - für viele Akteure an den Finanzmärkten eine faustdicke Überraschung. Denn seit Jahresbeginn hat das Börsenbarometer in der Spitze um rund 6,5 Prozent zugelegt. Obgleich deutlich wurde, dass etwa die US-Notenbank (dies vermittelt das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Protokoll der Sitzung des Offenmarktausschusses aus dem Dezember) die Leitzinsen in diesem Jahr weiter erhöhen möchte, blieb zumindest hierzulande der Anstieg am Aktienmarkt ohne größere Rücksetzer. Dies mag auch den jüngst publizierten ökonomischen Daten wie etwa dem US-Arbeitsmarktbericht geschuldet sein, der die Hoffnungen auf eine milde US-Rezession verbunden mit sinkenden Inflationsbefürchtungen befeuerte.

Zum anderen zeigt die Heftigkeit der bullishen DAX-Entwicklung aber auch - und dies dürfte der wichtigere Grund für die Rallye sein -, dass vor allem viele institutionelle Investoren gleich zu Beginn der ersten Börsenwoche wohl auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Selbst verglichen mit dem DAX-Stand unserer vergangenen Sentiment-Erhebung ergibt sich ein Kursplus von rund3,3 Prozent.

Allein, es fehlt der Glaube

Unterdessen hat sich die Stimmung bei den von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren gegenüber der Vorwoche trotzdem verschlechtert. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 13 Punkte auf einen neuen Stand von -11 gefallen. Dabei hat sich die Gruppe der Bullen um 8 Prozentpunkte weiter verringert. Zum Teil gab es Gewinnmitnahmen bei den Optimisten, von denen sich eine Mehrheit von rund 62 Prozent sogar gegen den DAX-Trend direkt auf die Bärenseite gewagt, ihre Position also um 180 Grad gedreht hat.

Auch bei den Privatanlegern gab es Gewinnmitnahmen in ähnlicher Größenordnung. Allerdings war in dieser Gruppe bei der vergangenen Erhebung wesentlich mehr Optimismus als bei den institutionellen Pendants zu spüren gewesen. Dennoch ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index um 10 Punkte auf einen neuen Stand von +4 gefallen. Genau wie bei den institutionellen Investoren hat sich die Gruppe der Optimisten um 8 Prozentpunkte verkleinert, wobei sich allerdings drei Viertel der wechselwilligen Akteure mit Gewinnmitnahmen begnügten, während sich lediglich das letzte Viertel direkt auf die Bärenseite zu wechseln traute.

Günstige Ausgangsbasis

Die heutige Erhebung verdeutlicht, dass viele sowohl der privaten als auch institutionellen Investoren der jüngsten Börsenentwicklung mit einer gehörigen Skepsis gegenüber stehen. Bei Ersteren können wir allerdings unterm Strich noch das Vorhandensein eines geringfügigen Optimismus feststellen. Die Motive für den Stimmungsumschwung mögen zum einen darin bestehen, dass man mancherorts die globale Inflation wegen eines einzelnen US-Arbeitsmarktberichts noch längst nicht für bekämpft hält, zumindest aber nicht erwartet, dass Fed und EZB so schnell ihre falkenhafte Einstellung ändern werden. Entscheidender dürfte allerdings sein, dass der DAX in kurzer Zeit für viele Akteure viel zu schnell gestiegen und deswegen, so die Folgerung, vermutlich reif für eine veritable Gegenbewegung.

Daraus ergeben sich zweierlei Erkenntnisse, die für den weiteren Aufwärtsimpuls des DAX günstig sein dürften: Zum einen werden die neuen Pessimisten vermutlich mit einem Rücksetzer auf 14.350/14.400 Zähler zufrieden sein, um ihre bearishen Engagements wieder zu schließen und auf relativ günstigerem Niveau gegenüber heute einen Einstieg als Käufer zu wagen. Auf der anderen Seite hätten die verbliebenen Optimisten (knapp ein Drittel aller Befragten) einem weiteren DAX-Anstieg, womöglich begünstigt durch langfristige (internationale) Kapitalzuflüsse, nicht allzu viel entgegenzusetzen. Ganz zu schweigen davon, dass der eine oder andere Pessimist von heute nicht ewig einem fortgesetzten Aufwärtstrend der Aktienkurse tatenlos zusehen kann.

4. Januar 2023, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)