SEATTLE (dpa-AFX) - Im US-Rechtsstreit um angebliche Gesundheitsfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB bleibt die Unsicherheit für Bayer groß. Das oberste Gericht des Bundesstaates Washington, der Washington Supreme Court, entschied laut Gerichtsunterlagen vom Dienstag, den Fall Erickson anzunehmen. Damit wird eine vorangegangene und für Bayer günstig ausgefallene Entscheidung eines Berufungsgerichts nun geprüft. Die Bayer-Aktien sackten zur Wochenmitte als Schlusslicht im Dax um mehr als sieben Prozent ab.

Im Falle einer Ablehnung der Überprüfung hätte Bayer wohl einen Großteil der PCB-Streitigkeiten zu den Aktien legen können, hatte Analyst Sachin Jain von der Bank of America bereits im September erklärt und dabei auf Äußerungen eines Rechtsexperten verwiesen. Im Fall einer Verhandlung schätzte der Experte die Siegchance für Bayer auf 50 Prozent.

Konkret geht es beim Fall Erickson um eine angebliche PCB-Belastung im Sky Valley Education Center im US-Bundesstaat Washington. Das Berufungsgericht hatte im Mai ein Urteil aus dem Jahr 2021 aufgehoben, das drei Lehrern Schadenersatz in Höhe von insgesamt 185 Millionen US-Dollar (168,5 Mio Euro) zugesprochen hatte.

Die Lehrer hatten PCB im Schulgebäude für Hirnschädigungen verantwortlich gemacht. Das Berufungsgericht fand Mängel im Urteil der Vorinstanz und verwies den Fall an diese zurück. Bayer hatte hiernach auf eine Signalwirkung auch für andere Fälle in der Schule gesetzt.

Zum Fall Erickson äußerte sich Bayer am Mittwoch. Der Konzern setzt laut einer Mitteilung nun darauf, dass der Washington Supreme Court zu keinem anderen Urteil als das Berufungsgericht im Mai kommen wird. Zudem hoffen die Leverkusener auf eine grundsätzliche Klärung zum Thema Strafschadensersatz, der von Geschworenen-Jurys oftmals deutlich höher festgesetzt wird als der reguläre Schadensersatz.

So argumentiert Bayer, dass das Berufungsgericht beim Thema des Strafschadenersatzes "nicht weit genug gegangen" sei. Der Washington Supreme Court solle "die falsche Anwendung des Rechts des Bundesstaates Missouri ausschließen und klarstellen", dass in dem Fall das Recht des Staates Washington gelte. Damit wäre der Strafschadenersatz nicht zulässig.

Die PCB-Verfahren sind wie auch der milliardenschwere Streit rund um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat ein teures Erbe des US-Saatgutkonzerns Monsanto. Diesen hatte Bayer im Jahr 2018 übernommen. In den PCB-Verfahren wird Monsanto vorgeworfen, jahrzehntelang verheerende Folgen der toxischen Schadstoffe verschwiegen zu haben. Das Unternehmen hatte das Mittel bis 1977 hergestellt. 1979 wurde die Chemikalie in den USA verboten./mis/tav/stk