FRANKFURT (dpa-AFX) - Der scheidende Chefbankenaufseher der Europäischen Zentralbank, Andrea Enria, erwartet eine Beschleunigung bei der Weitergabe höherer Zinsen an Privatkunden europäischer Banken. "Generell sehen wir zurzeit, dass bei Firmenkunden die höheren Zinsen massiv weitergereicht werden", sagte Enria im Interview mit mehreren Medien, darunter dem "Handelsblatt". Bei Privatkunden schreite diese Entwicklung nicht so schnell voran wie in früheren Zinserhöhungszyklen. Die deutschen Banken bewegten sich hier im europäischen Durchschnitt. "Wir erwarten aber, dass sich dieser Prozess nun beschleunigen wird."

Zugleich plädierte Enria, dessen Amtszeit nach fünf Jahren an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht zum Jahreswechsel endet, für eine schärfe Kontrolle sogenannter Schattenbanken. "Man kann nicht alle Unternehmen aus dem Schattenbankensektor über einen Kamm scheren - die einen sind relativ sicher, die anderen sind sehr stark verschuldet". Aber es könnte aber unter anderem Klumpenrisiken und exzessive Verschuldung geben, "und meiner Ansicht nach würde dies eine gewisse Ausweitung des regulatorischen Rahmens erfordern."

Als Schattenbanken werden Finanzfirmen bezeichnet, die ähnliche Geschäfte wie Banken betreiben, allerdings nicht so strikt reguliert werden. Enria wies auf die Expansion der Branche von 25 Billionen Euro im Jahr 2009 auf 51 Billionen Euro im Jahr 2023 hin. "Sie ist mittlerweile größer als der Bankensektor."

Neue oberste Bankenaufseherin der EZB wird die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch. Sie wird vom 1. Januar 2024 an fünf Jahre an der Spitze der Bankenaufsicht stehen./mar/DP/nas