BERLIN (dpa-AFX) - Der deutsch-iranische Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani hat die Reaktionen der Bundesregierung auf die Lage im Iran als unzureichend kritisiert. Kermani sagte am Sonntagabend im ZDF-"heute journal": "Wir haben zuerst ein langes Schweigen gehabt, als schon auf Menschen geschossen worden ist, insbesondere auf Frauen." Dann seien unter "lautem Getöse" Sanktionen beschlossen worden, die rein symbolisch seien.

"Und unser Bundeskanzler (Olaf Scholz/SPD) hat bis auf einen einzigen vollkommen nichtssagenden Tweet in diesen sechs, sieben Wochen kein einziges öffentliches Wort gesagt zu den Protesten. Das fällt auch im internationalen Vergleich auf", sagte Kermani. Er kritisierte: Nicht Partei zu ergreifen, wenn jemand auf den anderen schieße, das sei eine Art Parteinahme - für den, der schieße.

Auslöser der systemkritischen Massenproteste im Iran Mitte September war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisation wurden seither im Iran mindestens 250 Menschen getötet und mehr als 10 000 verhaftet.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Mittwoch angekündigt, den Kurs gegen Teheran wegen des harten Vorgehens der Behörden gegen die dortige Protestbewegung zu verschärfen. Es könne "kein "Weiter so" in den bilateralen Beziehungen" geben. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen demnach zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt werden. Die ohnehin eingeschränkten Wirtschaftskontakte sollen weiter reduziert werden./bg/DP/zb