PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Europas wichtigste Börsen sind am Donnerstag der Wall Street in die Verlustzone gefolgt. Während Anleger die am Vorabend erfolgte Anhebung des US-Leitzinses um weitere 0,75 Prozentpunkte erwartet hatten, enttäuschten die damit einhergehenden Äußerungen des Fed-Präsidenten. Denn: Jerome Powell ließ nach dem vierten kräftigten Zinsschritt in Folge keinen Zweifel daran, die Erhöhungen noch länger fortzusetzen.

Der EuroStoxx 50 büßte um die Mittagszeit 1,06 Prozent auf 3583,99 Punkte ein. Der französische Cac 40 sank um 0,80 Prozent auf 6226,49 Punkte. In London sank der FTSE 100 um 0,38 Prozent auf 7117,20 Zähler.

Wie US-Notenbankchef Powell am Mittwoch sagte, ist es "sehr verfrüht", um über eine Pause nachzudenken. Die Zinsen dürften angesichts der Inflationsentwicklung insgesamt stärker steigen als zuvor erwartet, auch wenn bei künftigen Anhebungen die bisherigen Schritte und die geldpolitischen Wirkungsverzögerungen berücksichtigt würden.

"'Tempo raus: ja, Pause: nein' - mit dieser Botschaft der US-Notenbank hätten die Börsen womöglich noch ganz gut leben können", kommentierte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets. Aber die Aussage Powells, dass die Spitze in den Leitzinsen derzeit nicht vorhersehbar sei, die aktuellen Inflationsraten und der Arbeitsmarkt jedoch dafür sprächen, dass diese Spitze höher sein werde als bislang gedacht, habe der allgemeinen Marktstimmung einen deutlichen Dämpfer versetzt.

Mit Ausnahme der Versicherer- und der Bankenbranche in Europa, die als einzige Sektoren moderate Gewinne verbuchten, gab alle anderen Branchen nach. Die größten Verluste erlitten der Immobiliensektor mit minus 2,9 Prozent und der Automobilsektor mit minus 2,3 Prozent.

Nicht nur die Aussicht auf steigende Zinsen stützte Aktien von Versicherern und Banken. Auch positive Nachrichten von einzelnen Unternehmen hoben die Stimmung. So waren die Favoriten im EuroStoxx ING , BNP und Axa nach vorgelegten Umsatz- oder auch Quartalszahlen.

Axa etwa stiegen um 2,2 Prozent. Der Versicherungskonzern überzeugte mit seinen über den durchschnittlichen Analystenerwartungen liegenden Umsätzen im dritten Jahresviertel. Zudem seien alle strategischen Ziele für 2023 unter dem neuen IFRS-Rechnungslegungsstandard beibehalten worden, hob Berenberg-Analyst Michael Huttner hervor. BNP stiegen als zweitstärkster Index-Wert um 2,8 Prozent. Die französische Großbank überraschte mit einem Gewinnanstieg, während ING nach vorgelegten Zahlen ein Aktienrückkaufprogramm ankündigte. Das Papier schoss um 7,3 Prozent hoch.

Flutter indes büßten im EuroStoxx 4,2 Prozent ein. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg ordnete die australische Finanzaufsicht Austrac eine externe Prüfung an, die untersuchen soll, ob die Wettanbieter Bet365 und die zu Flutter gehörende Marke Sportsbet Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missachtet haben.

In der Schweiz brachen die Anteile von Zur Rose um 16,2 Prozent ein, da die Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland einen weiteren herben Rückschlag erlitt.

Orsted gaben nach der Vorlage des Zwischenberichts um 2,1 Prozent nach. UBS-Analyst Sam Arie sprach von durchwachsenen Neuigkeiten, da der Energiekonzern die Erwartungen etwas verfehlt, die Investitionen gekürzt und den Ausblick angehoben habe. Um 1,2 Prozent ging es zudem für A.P. Moller-Maersk abwärts. Analysten lobten zwar das abgelaufene Quartal der dänischen Container-Reederei, doch die Geschäftsaussichten hätten sich inzwischen deutlich eingetrübt./ck/stk