FRANKFURT (dpa-AFX) - Das fortgesetzte Chaos bei Thyssenkrupp mit Blick auf die Stahlsparte hat die Aktien des Industriekonzerns am Freitag belastet. Sie büßten am Vormittag bis zu 1,8 Prozent auf 3,168 Euro ein. Allein 2024 haben sie rund die Hälfte ihres Wertes verloren. Zuletzt griffen Anleger aber wieder zu, und die Aktien drehten leicht ins Plus.

Mit Blick auf die geplante Neuaufstellung der Stahlsparte eskalierte der Streit in der Führungsriege: Drei Stahlvorstände und vier Aufsichtsratsmitglieder warfen hin, darunter auch Chefaufseher Sigmar Gabriel (SPD) und Stahlchef Bernhard Osburg. Gabriel sieht die Verantwortung für die Rücktritte vor allem bei Thyssenkrupp-Chef Miguel López. Dieser habe eine "beispiellose Kampagne" gegen den Stahlvorstand öffentlich in Gang gesetzt.

Hintergrund ist unter anderem ein erbitterter Streit um die finanzielle Ausstattung der Sparte durch den Mutterkonzern bei der geplanten Verselbstständigung und Neuaufstellung. Die bisherigen Pläne des Stahlvorstands gehen dem Mutterkonzern nicht weit genug. Das Geschäft leidet unter Billigkonkurrenz aus China, hohen Energiepreisen und der Konjunkturschwäche.

Es scheint so, dass López zusammen mit dem Thyssenkrupp-Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm die Weichen für die Zukunft des Konzerns stellen werde, schrieb Analyst Christian Obst von der Baader Bank in einer Studie. Die Wahrscheinlichkeit für größere Veränderungen steige.

"Mit der Entkonsolidierung von Steel Europe und Marine Systems wäre Thyssenkrupp weniger komplex und es gäbe klarere Verantwortlichkeiten", so Obst. Allerdings könnte das schwindende Vertrauen der Mitarbeiter in das Management ein Risiko in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten darstellen, warnt der Analyst.

Obst gibt auch zu, dass es durchaus Argumente für eine weitere Kurstalfahrt gebe, insbesondere da das Unternehmen schon in der Vergangenheit einen negativen freien Mittelfluss gehabt habe, also Geld verbrannt habe.

Gleichwohl sieht der Experte auch gute Gründe für sein unverändertes Kaufvotum: Die Chancen für ein Ende der Stimmungseintrübung in Europas Industrie und ein Ende des Stahlpreisverfalls in den kommenden sechs bis zwölf Monaten stünden gar nicht so schlecht. Der zweite Grund sei die steigende Wahrscheinlichkeit eines umfangreicheren Konzernumbaus. Daher dürfte das Bewertungstief mit Blick auf die Aktien in den kommenden Monaten erreicht werden./mis/ag/jha/