FRANKFURT (dpa-AFX) - Die nächste schlechte Nachricht aus der Chemiebranche wird am Mittwoch von Anlegern erneut recht gut weggesteckt. Mit Wacker Chemie musste ein weiterer Konzern seine Ziele für das Gesamtjahr zurechtstutzen, was die Aktien am Mittwoch zum Börsenauftakt mit vier Prozent ins Minus drückte. An der 200-Tage-Linie gelang aber die Wende, die den Kurs zeitweise sogar knapp ins Plus führte. Zuletzt lagen sie wieder moderat im Minus mit 0,3 Prozent.

Zuletzt hatten auch andere Sektorwerte nach schlechten Nachrichten kaum noch reagiert. Gewinnwarnungen von Chemieunternehmen sind zuletzt zur Regel geworden wegen mauer Nachfrage, was mit dem Abbau von Lagerbeständen in Zusammenhang gebracht wird. Börsianer fragten sich daher am Morgen bereits, ob die Nachrichten von Wacker nochmals nachhaltig belasten werden. Sebastian Satz von der Barclays Bank äußerte angesichts der frühen Kursverluste seine Vermutung, dass es am Markt durchaus Hoffnung gegeben habe, dass Wacker um eine Warnung herum kommt.

Viele Analysten betonten, das Ausmaß der Zielsenkung sei im Vergleich zum Konsens eine negative Überraschung. Markus Mayer von der Baader Bank schränkte aber die Bedeutung davon etwas ein. Er habe zuletzt viele Gespräche mit Investoren geführt - mit dem Fazit, dass die Erwartungen an das Ebitda in diesem Jahr bereits unter die Marke von einer Milliarde Euro gesenkt wurden. Der "Schatten-Konsens" habe damit wohl unter jenem der Analysten gelegen und dies dürfte die Kursreaktion wie am Mittwoch beobachtet eindämmen.

"Da wir davon ausgehen, dass die Gewinnentwicklung im Jahr 2023 die Talsohle erreichen und Wacker darüber hinaus von Solarförderungen und subventionierten Strompreisen profitieren wird, empfehlen wir Anlegern, eine vielleicht deutliche Kursschwäche zum Kauf zu nutzen", hatte der Baader-Experte vor dem Börsenstart empfohlen.

Mayer und sein JPMorgan-Kollege Chetan Udeshi errechneten, dass der Mittelwert der neuen Zielspanne, die nun auf 0,8 und 1,0 Milliarden Euro beziffert wurde, um 19 Prozent unter den Konsensschätzungen liegt. Der vorher avisierte Bereich hatte bis 1,4 Milliarden Euro gereicht. Udeshi erwartet, dass der Konsens um 15 Prozent sinken sollte. Auch 2024 seien nochmals Kürzungen wahrscheinlich.

Der Barclays-Experte Satz sprach von einer "bedeutenden Zielsenkung", die getrieben sei vor allem von einer Nachfrageschwäche bei Silikonprodukten. "Das Unternehmen profitierte Anfang 2022 von der extremen Anspannung und der starken Nachfrage und sieht sich nun mit dem Gegenteil konfrontiert", argumentierte der Experte. Das Geschäft mit Polysilizium, das für die Halbleiter- und Solarindustrien von Bedeutung ist, laufe derweil besser als befürchtet.

Dass es Wacker Chemie besser ergehen könnte als dem Sektor, wurde zuletzt im Aktienkurs schon eingepreist: Mehr als ein Fünftel haben die Papiere seit dem Juni-Tief schon zugelegt, was deutlich mehr ist als der gesamteuropäische Index der Chemiebranche, der in einem ähnlichen Zeitraum auf maximal fünf Prozent kommt. Der Sektorindex blieb am Mittwoch aber immerhin auf seinem Stabilisierungskurs: Er bewegte sich 0,4 Prozent höher und probierte dabei erneut den Sprung über seinen 100-Tage-Durchschnitt.

BASF zum Beispiel legten am Mittwoch gut ein Prozent zu auf ein Hoch seit mehr als einem Monat. Einen Kursverlust von einem Prozent gab es aber bei Evonik , nachdem die Papiere von Morgan Stanley auf "Underweight" abgestuft wurden. Im Vergleich zum Sektor hatten sie sich seit dem Tiefpunkt Mitte Juni auch überdurchschnittlich stark um bis zu 13 Prozent erholt.

Schwäche zeigte auch Covestro mit einem Abschlag von 1,8 Prozent. Hier spielt neuerdings aber Übernahmefantasie die größere Rolle: Kreisen zufolge will der Ölkonzern Abu Dhabi National Oil (Adnoc) sein Gebot für den Dax-Konzern von den bislang kolportierten 55 auf 57 Euro je Aktie erhöhen. Die Aktie kam am Mittwoch zurück, nachdem sie am Vorabend kurz angesprungen war. Der aktuelle Kurs unter 50 Euro suggeriert, dass Anleger den Spekulationen skeptisch begegnen./tih/ag/stk