(neu: Überschrift, Schlusskurs, Einordnung Tagesverlust, weitere Expertenstimme)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Eine überraschende Ausblicksenkung hat Hellofresh am Donnerstag den höchsten Kursverlust in der Unternehmensgeschichte eingebrockt. Nach zeitweise noch deutlicheren Abschlägen und dem tiefsten Stand seit 2019 stand zum Handelsschluss ein Abschlag von 22,4 Prozent auf 15,915 Euro zu Buche. Damit war die Aktie des Kochboxenversenders abgeschlagenes Schlusslicht im MDax , dem Index der mittelgroßen deutschen Unternehmen.

Die Kürzung der Jahresziele nur wenige Wochen nach der Vorlage von Quartalszahlen kostete das Unternehmen am Markt viel Glaubwürdigkeit. Hellofresh verwies auf Probleme in seinem wichtigsten Einzelmarkt USA, etwa durch überraschend geringe Neukundenzahlen in wichtigen Wochen des laufenden Quartals, unter anderem in den Tagen rund um das US-Erntedankfest (Thanksgiving).

Doch der Konzern muss auch mit anderen Problemen zurechtkommen: In Arizona zieht sich das Hochfahren der neuen Produktionsstätte in die Länge. Hellofresh will dort Fertiggerichte herstellen und setzt große Hoffnung in die sogenannte Ready-To-Eat-Produktlinie, die bis 2025 die größte des Unternehmens werden soll. Zudem erschweren die Wasserknappheit in dem Wüstenstaat sowie fehlendes Personal die Herstellungsprozesse. Und in Illinois dauerte die geplante Wartung einer Produktionsstätte länger als angenommen.

"Nicht das vierte Quartal, das wir erwarteten hatten", kommentierte Analystin Nizla Naizer von der Deutschen Bank. Zwar erschienen die Gründe für die Prognosesenkung eher vorübergehender Natur, doch warte sie lieber erst einmal ab. Sie strich daher ihre Kaufempfehlung und stuft das Papier nun mit "Halten" ein.

Deutlich skeptischer ist William Woods vom Analysehaus Bernstein Research, der die Papiere mit "Underperform" einstuft. Es sei schwer zu glauben, dass die Gründe für die Kappung der Ziele nicht schon vor einigen Wochen zur Quartalsbilanz vorhersehbar gewesen seien. Zudem habe das Hellofresh-Management - wenngleich es die Probleme als größtenteils vorübergehend ansehe - zugegeben, dass das US-Kochboxengeschäft schwächele.

Woods glaubt, dass dies eher strukturell, also ein grundsätzliches Problem, ist. Der Markt sei schon gesättigt und die Kunden wechselten häufig. Das Geschäftsmodell insgesamt gestalte sich daher schwierig, was sich auch 2024 zeigen dürfte. Für Thomas Maul von der DZ Bank stellt sich ebenfalls die Frage, ob die Schwäche bei der Neukundengewinnung in den Vereinigten Staaten strukturellen Gründen geschuldet ist oder nur aus dem eingetrübten Konsumklima resultiert. Als Risiko in einem wettbewerbsintensiven Markt sieht er vor allem steigende Kundenakquisitionskosten.

Mit dem Kursrutsch vom Donnerstag hat die Hellofresh-Aktie seit ihrem Jahreshoch von 34,36 Euro Mitte September mehr als die Hälfte an Wert verloren. Für 2023 steht nun ein Minus auf dem Kurszettel, das fast exakt dem heutigen Tagesverlust entspricht.

Während der Corona-Pandemie hatten Essenlieferer wie Hellofresh noch zu den Lieblingen der Anleger gezählt. Restaurants waren geschlossen, die Menschen blieben daheim, bestellten fertige Mahlzeiten oder kochten selbst viel. Entsprechend war der Aktienkurs nach oben geschossen - von weniger als zehn Euro vor der Pandemie bis auf fast 100 Euro im November 2021. Der mit 15 Prozent bislang höchste Kursverlust datiert indes schon ein Jahr früher, als es Nachrichten zum ersten wirksamen Corona-Impfstoff vom Mainzer Unternehmen Biontech gegeben hatte.

An die Börse gegangen war Hellofresh gegen Ende 2017 mit einem Ausgabepreise von 10,25 Euro je Anteilschein./mis/tih/jha/gl/bek/he