(neu: Kursentwicklung, Schlusskurse, Rang zehn in der Liste der größten Dax-Tagesverlierer)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Schwarzer Freitag für die Aktionäre von Siemens Energy : Nach zurückgezogenen Prognosen stürzten die Aktien des Energietechnikkonzerns vor dem Wochenende ab. Die Papiere waren bereits zu Handelsbeginn um 35,8 Prozent abgesackt. Am Vormittag konnten sie das Minus kurz bis auf 26,7 Prozent verringern, bevor sie wieder in den Abwärtssog gerieten.

Am Ende stand bei den Aktien von Siemens Energy ein Minus von 37,3 Prozent auf 14,65 Euro zu Buche. Damit waren sie mit Abstand das Schlusslicht im Dax . Der Börsenwert fiel um 7 Milliarden Euro auf 12 Milliarden Euro. Die Papiere reihen sich insofern in die Liste der größten Tagesverlierer im deutschen Leitindex ein - und zwar auf Rang zehn.

Auch die Aktien des Großaktionärs Siemens gerieten im Sog von Energy mit minus 2,2 Prozent unter Druck. Der Dax verlor ein Prozent.

Der Windturbinenbauer Siemens Gamesa bleibt das Sorgenkind des Dax-Konzerns. Es habe deutlich erhöhte Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten gegeben, hieß es von Siemens Energy. Eine technische Überprüfung lege nahe, dass eine Behebung der Probleme bei bestimmten Onshore-Plattformen deutlich mehr koste als bislang angenommen. Siemens Energy geht derzeit von zusätzlichen Kosten von voraussichtlich über einer Milliarde Euro aus. Im Januar waren die Kosten noch mit 472 Millionen Euro beziffert worden.

Dies seien sehr schlechte Nachrichten, sagte ein Händler. Wenn man keine Anhaltspunkte habe, wohin die Kosten liefen, wie solle der Markt das dann einschätzen, so die Sorge des Händlers. Er sprach von einer "totalen Unsicherheit".

Die neuen Probleme bei der Tochter Gamesa schöben eine dunkle Wolke vor die Neubewertungsstory des Konzerns, schrieb Analyst Ajay Patel von der US-Bank Goldman Sachs. Die Meldung wertete er "klar negativ". Nicht kalkulierbar seien aktuell die finanziellen Folgen der Qualitätsprobleme bei Gamesa, schrieb Nicholas Green vom US-Analysehaus Bernstein Research.

Bis zum Vortag hatten die Papiere noch zu den größeren Gewinnern im Dax seit Jahresbeginn gezählt. Die Rally gestartet hatten sie Mitte Oktober und in der Zeit bis Ende Mai einen Spitzenzuwachs von 140 Prozent verbucht. Nun aber fielen sie zudem unter den Unterstützungsbereich des 61,8-Prozent-Fibonacci-Retracements. Dies bedeutet, dass sie von ihrem Gewinn seit Oktober mehr als 61,8 Prozent verloren haben - in der Charttechnik gilt dies als massives Warnsignal für den gesamten Trend. Seit Jahresanfang stehen die Papiere mit einem Schlag mit knapp 17 Prozent im Minus und damit im hinteren Dax-Feld.

Die Windkrafttochter Gamesa sei für Siemens Energy zwar ein altbekanntes Problem, erläuterte der Kapitalmarktexperte Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets. Nach der Komplettübernahme Anfang des Jahres erweise sich Gamesa bisher aber als schwarzes Loch in der Bilanz. "Die Zukunft von Siemens Energy hängt mehr und mehr davon ab, ob es das Sorgenkind in den Griff bekommt." Das Bittere an dem aktuellen Abverkauf der Energy-Aktien sei, dass damit die starke Erholung seit vergangenem Oktober ein abruptes Ende finde, so der Fachmann.

Bernstein-Analyst Green rät Anlegern indes davon ab, den tiefen Kurs von Siemens Energy zum Einstieg zu nutzen. Im schlimmsten Fall, wenn nämlich mehr als 30 Prozent der installierten Anlagen von Gamesa fehlerhaft seien, drohe ein noch deutlicherer Kursrutsch. Würde Gamesa mit Null bewertet, läge der faire Wert von Siemens Energy bei elf Euro, rechnete Green aus.

Marktbeobachter Alexander Paulus vom Börsendienst Stock3 sieht die nächsten wichtigen Unterstützungen im Kurschart bei 14,37 Euro und bei 13,36 Euro. Bis dahin hätten die Papiere noch einigen Platz. Allgemein rät er aber nach solchen Kurseinbrüchen, die Aktien "erst einmal auspendeln zu lassen" und einen ersten Bodenbildungsversuch abzuwarten. Chart-Unterstützungen hätten inmitten von Verkaufspanik nur selten eine Wirkung./ajx/tih/ag/jha/la/stk