Großaufträge aus dem Norden und dem Süden

Innerhalb von nur 48 Stunden meldete Nordex zwei richtungsweisende Großaufträge – ein Momentum, das manch anderer Konzern über Monate aufbauen muss. Am 1. April kündigte das Hamburger Unternehmen die Lieferung von 70 hochmodernen Windturbinen nach Finnland an. Diese gehören zur leistungsstarken Delta4000-Serie, ausgestattet mit Anti-Icing-Technologie, die speziell für kalte Klimazonen konzipiert wurde. Hinzu kommt ein 35-jähriger Wartungsvertrag – ein starkes Signal für Kontinuität und Vertrauen seitens des Auftraggebers.

Nur einen Tag später der nächste Coup: 108 Windanlagen vom Typ N163/6.X gehen in die Türkei. Zusammen liefern die beiden Deals ein Gesamtvolumen von beeindruckenden 1.222 Megawatt – genug, um über 400.000 Haushalte mit grünem Strom zu versorgen. Ein klarer Beleg dafür, dass Nordex auf internationaler Ebene wieder auf dem Radar großer Energieprojekte erscheint.

Technologie trumpft – aber reicht das für den Durchbruch?

Technologisch setzt Nordex mit der Delta4000-Serie neue Maßstäbe: Rotoren mit bis zu 175 Metern Durchmesser ermöglichen auch bei geringen Windgeschwindigkeiten eine hohe Ausbeute – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in vielen Regionen. Besonders das erwähnte Anti-Icing-System eröffnet neue Marktpotenziale in nördlichen Breitengraden, wo winterliche Bedingungen bislang als Hürde galten.

Trotz dieser Erfolge zeigt sich die Börse bislang verhalten: Der Kurs stieg zuletzt zwar auf 14,62 Euro, doch von echter Euphorie ist nichts zu spüren. Die Gründe dafür sind tiefgründiger: Die Vergangenheit des Unternehmens ist von wiederkehrenden Verlusten, einem angespannten Wettbewerb und einer hohen Abhängigkeit von staatlichen Förderprogrammen geprägt. Auch wenn Nordex seine Verluste jüngst eindämmen konnte – echte Profitabilität ist weiterhin ein Drahtseilakt.

Vertrauen am Kapitalmarkt: Der letzte Puzzlestein?

Obwohl der Auftragsbestand wächst und die Technologien überzeugen, haftet Nordex noch immer ein Imageproblem an. Die Aktie liegt trotz grüner Boomjahre weiterhin unter dem Niveau von vor einem Jahrzehnt. Investoren zögern – zu oft wurde Hoffnung von Realität eingeholt. Preisdruck, volatile Rohstoffpreise und geopolitische Unsicherheiten verstärken die Skepsis.

Dennoch: Die jüngsten Aufträge zeigen, dass Nordex nicht nur mithalten kann, sondern in Schlüsselregionen Marktanteile gewinnt. Der langfristige Servicevertrag in Finnland könnte sich dabei als stille Goldgrube erweisen – stabile, planbare Einnahmen über Jahrzehnte hinweg sind im Windsektor ein seltenes Gut.

Die nächsten Wochen könnten entscheidend werden. Sollte Nordex weitere Auftragserfolge oder eine Stabilisierung der Margen vorlegen, könnte die Aktie aus dem Windschatten treten – und womöglich die längst überfällige Aufholjagd starten.