Weltwirtschaftskrise von 1929 Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Schwarzer Donnerstag (1929) Nächster Begriff: Bankenkrise von 1933

Eine der tiefgreifendsten wirtschaftlichen Katastrophen der modernen Geschichte

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war eine der schwerwiegendsten globalen wirtschaftlichen Krisen des 20. Jahrhunderts. Sie begann mit dem Börsencrash an der Wall Street im Oktober 1929 und führte zu einer langen Phase wirtschaftlichen Niedergangs, die sich über die gesamte Welt erstreckte. In vielen Ländern kam es zu Massenarbeitslosigkeit, Bankenzusammenbrüchen und sozialem Elend. Die Krise hatte tiefgreifende politische und gesellschaftliche Folgen und trug wesentlich zur Destabilisierung Europas bei, was später den Aufstieg autoritärer Regime begünstigte.

Ursachen der Weltwirtschaftskrise

Die Ursachen der Krise waren vielschichtig und entwickelten sich über Jahre hinweg. Die wichtigsten Faktoren waren:

  1. Spekulationsblase an den Börsen

    • In den 1920er Jahren („Roaring Twenties“) boomte die Wirtschaft, und Aktienkurse stiegen stark an.
    • Viele Anleger kauften Aktien auf Kredit (Margin-Käufe), da sie erwarteten, dass die Kurse weiter steigen würden.
    • Zwischen 1924 und 1929 hatte sich der Dow Jones Industrial Average mehr als verdoppelt, obwohl das tatsächliche Wirtschaftswachstum nicht in gleichem Maße zunahm.
  2. Börsencrash von 1929

    • Am Schwarzen Donnerstag (24. Oktober 1929) kam es zu massiven Verkäufen an der New Yorker Börse.
    • Am Schwarzen Montag (28. Oktober 1929) fiel der Dow Jones um 12,8 %, und am Schwarzen Dienstag (29. Oktober 1929) brach er nochmals um 11,7 % ein.
    • Innerhalb weniger Wochen verloren Anleger Milliarden, was eine Kettenreaktion in der Wirtschaft auslöste.
  3. Überproduktion und Konsumrückgang

    • Die industrielle Produktion war stark gewachsen, aber die Löhne und die Kaufkraft der Bevölkerung hielten nicht Schritt.
    • Unternehmen hatten mehr Waren produziert, als verkauft werden konnten, was zu Lagerbeständen und Produktionsrückgängen führte.
  4. Bankenzusammenbrüche und Kreditklemme

    • Viele Banken hatten in Aktien investiert oder risikoreiche Kredite an Spekulanten vergeben.
    • Nach dem Crash zogen Kunden massenhaft ihr Geld ab (Bank-Runs), was zu Tausenden von Bankpleiten führte.
    • Die Kreditvergabe kam fast vollständig zum Erliegen, wodurch Investitionen und wirtschaftliche Aktivitäten weiter zurückgingen.
  5. Protektionismus und Handelskriege

    • Anstatt die Wirtschaft durch internationale Zusammenarbeit zu stabilisieren, führten viele Länder Schutzzölle und Handelsbarrieren ein.
    • Besonders schädlich war der Smoot-Hawley-Tarif der USA (1930), der Importzölle drastisch erhöhte.
    • Andere Länder reagierten mit eigenen Zöllen, was den internationalen Handel weiter einbrechen ließ.

Verlauf der Weltwirtschaftskrise

Die Krise dauerte fast ein Jahrzehnt und führte weltweit zu massiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen.

Jahr Entwicklung
1929 Börsencrash, erste Firmenpleiten, beginnende Arbeitslosigkeit.
1930-1931 Bankenkrisen, dramatischer Rückgang von Produktion und Handel.
1932 Tiefpunkt der Krise: Höchste Arbeitslosigkeit, Weltproduktion um 40 % gesunken.
1933-1936 Erste wirtschaftliche Erholung durch New Deal (USA) und keynesianische Maßnahmen.
Ende der 1930er Rüstungsproduktion im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs führt zur endgültigen Erholung.

Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise

Die Krise hatte tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und politische Folgen:

  1. Massenarbeitslosigkeit und soziale Not

    • In den USA stieg die Arbeitslosenquote bis 1933 auf über 25 %.
    • In Deutschland lag die Arbeitslosenquote 1932 bei über 30 %, was zu politischer Radikalisierung beitrug.
    • Millionen Menschen verloren ihre Ersparnisse und standen vor dem wirtschaftlichen Ruin.
  2. Zusammenbruch des Bankensystems

    • Über 9.000 Banken in den USA mussten schließen, da sie ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten.
    • In Deutschland führte die Krise zur Bankenkrise von 1931, die eine Notverordnung und Wirtschaftskontrollen erforderlich machte.
  3. Rückgang von Handel und Industrieproduktion

    • Die Weltwirtschaft schrumpfte drastisch: Die Industrieproduktion sank weltweit um etwa 40 %.
    • Der internationale Handel brach zwischen 1929 und 1933 um zwei Drittel ein.
  4. Politische Destabilisierung und Aufstieg des Nationalsozialismus

    • Die wirtschaftliche Not führte zu einem Vertrauensverlust in demokratische Systeme.
    • In Deutschland profitierte die NSDAP von der Krise und gewann 1933 die Macht.
    • In anderen Ländern erstarkten autoritäre und populistische Bewegungen.

Maßnahmen zur Überwindung der Krise

Regierungen mussten tiefgreifende Maßnahmen ergreifen, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

  1. New Deal (USA, 1933-1938)

    • Präsident Franklin D. Roosevelt führte massive staatliche Investitionen und Arbeitsprogramme ein.
    • Bankenregulierung wurde verschärft (Glass-Steagall Act), um exzessive Spekulation zu verhindern.
    • Soziale Absicherung wurde eingeführt, darunter das Sozialversicherungssystem.
  2. Keynesianische Wirtschaftspolitik

    • Der britische Ökonom John Maynard Keynes entwickelte die Theorie, dass der Staat in Krisenzeiten durch Investitionen und Defizitausgaben die Nachfrage ankurbeln müsse.
    • Diese Politik wurde später Grundlage vieler wirtschaftlicher Rettungsprogramme.
  3. Internationale Finanzreformen

    • Die USA verließen den Goldstandard, um die Geldpolitik flexibler zu gestalten.
    • Zentralbanken übernahmen eine aktivere Rolle zur Steuerung der Wirtschaft.
  4. Erholung durch Rüstungsproduktion

    • In den späten 1930er Jahren kurbelte die Aufrüstung im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs die Wirtschaft an.
    • Insbesondere in Deutschland und den USA wurde durch staatliche Rüstungsaufträge die Massenarbeitslosigkeit reduziert.

Vergleich mit späteren Wirtschaftskrisen

Krise Ursache Hauptfolge Dauer der Erholung
1929 (Weltwirtschaftskrise) Börsencrash, Bankenkrise, Protektionismus Massenarbeitslosigkeit, Bankenpleiten, politische Radikalisierung 10 Jahre
1987 (Schwarzer Montag) Computerhandel, Portfolio-Versicherung Kurzfristiger Börsencrash, schnelle Erholung 2 Jahre
2008 (Finanzkrise) Immobilienblase, Bankenkrise Bankenrettungen, hohe Staatsverschuldung 5 Jahre

Fazit

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war eine der tiefgreifendsten wirtschaftlichen Katastrophen der modernen Geschichte. Sie wurde durch exzessive Spekulation, eine unregulierte Finanzwirtschaft und strukturelle Probleme der globalen Wirtschaft ausgelöst. Die Krise führte zu massiver Arbeitslosigkeit, Bankenzusammenbrüchen und politischer Destabilisierung. Die daraus gezogenen Lehren prägen bis heute die Regulierung der Finanzmärkte und die Rolle des Staates in der Wirtschaft.

Die Krise zeigt, dass Überbewertung von Märkten, unkontrollierte Spekulation und protektionistische Maßnahmen erhebliche Risiken bergen. Die wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die Krise – insbesondere der New Deal und die keynesianische Wirtschaftstheorie – haben langfristig dazu beigetragen, die Rolle des Staates in der wirtschaftlichen Stabilisierung neu zu definieren.