Volcker Rule Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Consumer Financial Protection Bureau (CFPB) Nächster Begriff: Securities and Exchange Commission (SEC)

Eine der bedeutendsten Regulierungen des US-Finanzsystems seit der Finanzkrise von 2007–2008

Die Volcker Rule ist eine bedeutende Regelung im US-Finanzsektor, die als Teil des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act von 2010 eingeführt wurde. Ihr Ziel ist es, den Eigenhandel (Proprietary Trading) von Banken einzuschränken und riskante Geschäfte mit spekulativen Finanzinstrumenten zu unterbinden. Die Regelung wurde nach Paul Volcker, dem ehemaligen Vorsitzenden der Federal Reserve (1979–1987), benannt, der sich für eine striktere Trennung von spekulativen Bankgeschäften und traditionellem Bankwesen einsetzte.

Hintergrund der Volcker Rule

Die globale Finanzkrise von 2007–2008 legte gravierende Schwächen im Finanzsystem offen. Viele Banken hatten risikoreiche Spekulationen mit eigenen Geldern betrieben, oft mit hochkomplexen Finanzprodukten wie Derivaten oder verbriefte Krediten. Diese riskanten Investments führten dazu, dass zahlreiche Banken in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, was den Staat zwang, sie mit Steuergeldern zu retten („Too Big to Fail“-Problem).

Eine der Hauptursachen für die Krise war, dass große Banken ihre traditionellen Bankgeschäfte – wie die Annahme von Kundeneinlagen und die Kreditvergabe – mit spekulativen Eigenhandelsgeschäften kombinierten. Um dieses Risiko künftig zu minimieren, schlug Paul Volcker vor, den Eigenhandel von Banken zu verbieten, da dieser nicht dem eigentlichen Zweck des Bankwesens diente und stattdessen finanzielle Instabilität verursachte.

Zielsetzung der Volcker Rule

Die Volcker Rule soll verhindern, dass Banken, die von staatlichen Einlagensicherungen profitieren, hochriskante Handelsgeschäfte für eigene Rechnung tätigen. Die Hauptziele der Regel sind:

  • Reduzierung systemischer Risiken: Die Regel soll verhindern, dass Banken aufgrund spekulativer Verluste in Schwierigkeiten geraten und dadurch das gesamte Finanzsystem gefährden.
  • Schutz der Einleger: Kundeneinlagen sollen nicht für spekulative Investments verwendet werden.
  • Förderung der Stabilität des Finanzsystems: Die Regel soll sicherstellen, dass Banken sich auf ihre Kerngeschäfte – Kreditvergabe und Zahlungsverkehr – konzentrieren.

Kernpunkte der Volcker Rule

Die Volcker Rule ist in Abschnitt 619 des Dodd-Frank Act verankert und trat 2013 offiziell in Kraft. Sie umfasst zwei wesentliche Beschränkungen für Banken:

  1. Verbot des Proprietary Trading (Eigenhandel)

    • Banken dürfen nicht mehr mit eigenen Mitteln in Finanzinstrumente wie Aktien, Anleihen oder Derivate investieren, wenn das Hauptziel die kurzfristige Gewinnerzielung ist.
    • Ausnahme: Banken dürfen weiterhin Handelsgeschäfte im Auftrag von Kunden tätigen oder zur Absicherung von Risiken („Hedging“).
  2. Beschränkung von Investitionen in Hedgefonds und Private-Equity-Fonds

    • Banken dürfen nicht mehr direkt in Hedgefonds oder Private-Equity-Fonds investieren oder diese kontrollieren.
    • Banken dürfen maximal 3 % ihres Kernkapitals in solche Fonds investieren.

Ausnahmen von der Volcker Rule

Obwohl die Volcker Rule das Proprietary Trading stark einschränkt, gibt es einige wichtige Ausnahmen:

  • Market Making: Banken dürfen weiterhin Wertpapiere halten, wenn dies notwendig ist, um Kundenaufträge auszuführen.
  • Kundengeschäfte (Agency Trading): Banken dürfen Finanzinstrumente kaufen und verkaufen, wenn sie dies als Vermittler für Kunden tun.
  • Risikomanagement (Hedging): Banken dürfen Positionen eingehen, um sich gegen finanzielle Risiken abzusichern.
  • Staatliche Anleihen: Der Handel mit US-Staatsanleihen und bestimmten anderen staatlichen Wertpapieren bleibt erlaubt.

Umsetzung und Kontrolle

Die Durchsetzung der Volcker Rule wurde mehreren US-Behörden übertragen, darunter:

  • Federal Reserve (Fed)
  • Office of the Comptroller of the Currency (OCC)
  • Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC)
  • Securities and Exchange Commission (SEC)
  • Commodity Futures Trading Commission (CFTC)

Diese Behörden sind dafür verantwortlich, Banken zu überprüfen und Verstöße zu ahnden. Banken mussten ihre Handelsabteilungen neu organisieren, um die Regel einzuhalten, und detaillierte Berichte über ihre Handelsaktivitäten einreichen.

Auswirkungen der Volcker Rule

Die Volcker Rule hatte tiefgreifende Konsequenzen für den Finanzsektor:

  • Reduzierung des Eigenhandels: Viele große Banken schlossen ihre Eigenhandelsabteilungen oder gliederten sie aus.
  • Verlagerung von Handelsaktivitäten: Einige Banken passten ihre Strategien an, indem sie mehr Geschäfte über verbundene Hedgefonds oder spezialisierte Tochtergesellschaften abwickelten.
  • Weniger Liquidität in bestimmten Märkten: Kritiker argumentierten, dass die Regel die Marktliquidität, insbesondere bei Unternehmensanleihen, verringerte.
  • Erhöhte Compliance-Kosten: Banken mussten erhebliche Ressourcen in die Einhaltung der neuen Vorschriften investieren.

Kritik an der Volcker Rule

Obwohl die Volcker Rule als wichtiges Instrument zur Risikobegrenzung angesehen wird, gab es auch Kritik:

  • Zu komplex und bürokratisch: Viele Banken und Finanzexperten argumentierten, dass die Regel zu detailliert sei und hohe administrative Kosten verursache.
  • Schwierige Abgrenzung zwischen erlaubten und verbotenen Geschäften: In der Praxis erwies es sich als schwierig, zwischen spekulativem Eigenhandel und erlaubten Market-Making- oder Hedging-Geschäften zu unterscheiden.
  • Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit: Einige Kritiker meinten, dass US-Banken im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern benachteiligt seien, da ausländische Banken weniger strenge Vorschriften haben.
  • Lockerungen unter der Trump-Regierung: Im Jahr 2019 wurden einige Bestimmungen gelockert, um Banken mehr Flexibilität zu geben.

Änderungen und Reformen

Seit ihrer Einführung wurde die Volcker Rule mehrfach angepasst:

  • 2017–2019: Die Trump-Regierung lockerte einige Bestimmungen, insbesondere die Definition des Eigenhandels, um Banken mehr Spielraum zu geben.
  • 2020: Die Regulierung von Hedgefonds- und Private-Equity-Investitionen wurde teilweise gelockert. Banken erhielten mehr Möglichkeiten, in risikoreiche Anlagen zu investieren.

Fazit

Die Volcker Rule ist eine der bedeutendsten Regulierungen des US-Finanzsystems seit der Finanzkrise von 2007–2008. Sie wurde eingeführt, um exzessive Spekulationen von Banken zu verhindern und die Finanzstabilität zu erhöhen. Während sie Erfolge bei der Reduzierung des Eigenhandels zeigte, bleibt sie ein umstrittenes Regulierungselement. Kritiker bemängeln ihre Komplexität und mögliche negative Auswirkungen auf die Marktliquidität. Dennoch bleibt die Volcker Rule ein zentrales Element der Bankenregulierung in den USA, auch wenn sie im Laufe der Jahre mehrfach angepasst wurde.