Savings-and-Loan-Krise der 1980er Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Nixon-Schock vom 15. August 1971 Nächster Begriff: Asienkrise (1997–1998)
Eine der schwersten Bankenkrisen in der Geschichte der USA und ein klassisches Beispiel für die Gefahren ungezügelter Deregulierung, schlechten Managements und riskanter Spekulationen
Die Savings-and-Loan-Krise der 1980er Jahre war eine der größten Finanzkrisen in der Geschichte der USA. Sie betraf die Savings and Loan Associations (S&Ls), eine Art von Finanzinstituten, die sich auf die Vergabe von Hypothekenkrediten spezialisiert hatten. Aufgrund einer Kombination aus Deregulierung, schlechter Unternehmensführung und riskanter Spekulation gerieten hunderte dieser Institute in finanzielle Schwierigkeiten. Die Krise führte zu massiven Insolvenzen, kostete die US-Regierung hunderte Milliarden Dollar und hatte weitreichende wirtschaftliche und politische Folgen.
Hintergrund: Die Rolle der Savings and Loan Associations
Savings and Loan Associations (S&Ls), auch als "thrifts" bezeichnet, waren eine wichtige Säule des US-amerikanischen Finanzsystems. Sie unterschieden sich von traditionellen Banken durch ihren Fokus auf die Immobilienfinanzierung. Hauptsächlich vergaben sie langfristige Hypothekendarlehen an Privatpersonen und finanzierten sich durch kurzfristige Einlagen von Sparern.
In der Nachkriegszeit waren die S&Ls ein stabiler Bestandteil des US-Finanzsystems. Durch die staatliche Regulierung profitierten sie von festen Zinsen für Hypothekendarlehen, während sie Sparern attraktive Zinssätze bieten konnten. Allerdings begann dieses System in den 1970er Jahren zunehmend unter Druck zu geraten.
Ursachen der Krise
Die Savings-and-Loan-Krise der 1980er Jahre wurde durch eine Vielzahl von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen ausgelöst:
- Steigende Zinsen und Zinsmargen-Probleme: In den 1970er Jahren führte eine hohe Inflation dazu, dass die US-Notenbank (Federal Reserve) die Zinssätze drastisch erhöhte. Dies stellte für die S&Ls ein großes Problem dar, da sie langfristige Kredite zu niedrigen festen Zinssätzen vergeben hatten, während sie gleichzeitig kurzfristige Einlagen mit steigenden Zinssätzen verzinsen mussten. Dadurch schrumpften ihre Gewinnmargen erheblich.
- Deregulierung der Branche: In den frühen 1980er Jahren wurden unter Präsident Jimmy Carter und später unter Ronald Reagan zahlreiche Deregulierungsmaßnahmen eingeführt. Die wichtigsten Änderungen umfassten:
- Aufhebung der Zinsobergrenzen für Einlagen, wodurch S&Ls höhere Zinsen zahlen mussten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
- Erlaubnis riskanter Investitionen, einschließlich gewerblicher Immobilienfinanzierung, Spekulationen in Aktien und sogar in Unternehmensbeteiligungen.
- Lockerung der Kapitalanforderungen, was es den S&Ls ermöglichte, mehr Kredite mit geringerer Eigenkapitalunterlegung zu vergeben.
- Missmanagement und Betrug: Viele Savings and Loans nutzten die Deregulierung, um hochriskante Geschäfte einzugehen. Einige Institutionen wurden von schlecht ausgebildeten oder unqualifizierten Managern geführt, andere waren sogar in kriminelle Machenschaften verwickelt. Besonders in den Bundesstaaten Texas, Arizona und Kalifornien kam es zu zahlreichen Fällen von Betrug und Fehlmanagement.
- Spekulationsblase in der Immobilienbranche: Aufgrund der neu gewonnenen Freiheit begannen viele S&Ls, massiv in kommerzielle Immobilien und riskante Bauprojekte zu investieren. Als die Immobilienpreise in den späten 1980er Jahren einbrachen, mussten viele dieser Kredite abgeschrieben werden, was die Institute in die Zahlungsunfähigkeit trieb.
Verlauf der Krise
Die ersten Probleme zeigten sich bereits Anfang der 1980er Jahre, als steigende Zinsen viele S&Ls in Schwierigkeiten brachten. In den folgenden Jahren kam es zu einer zunehmenden Zahl von Insolvenzen. Die Federal Savings and Loan Insurance Corporation (FSLIC), die für die Einlagensicherung der S&Ls verantwortlich war, konnte die Verluste nicht mehr ausgleichen.
Einige der wichtigsten Entwicklungen während der Krise waren:
- 1982: Garn-St Germain Depository Institutions Act – Ein Gesetz, das den S&Ls noch größere Freiheiten in der Kreditvergabe einräumte, in der Hoffnung, dass sich die Branche selbst stabilisieren würde. Tatsächlich führte dies jedoch zu noch riskanteren Spekulationen.
- 1985–1988: Insolvenzwelle – Hunderte S&Ls gingen bankrott, insbesondere in den Bundesstaaten Texas, Florida und Kalifornien.
- 1989: Resolution Trust Corporation (RTC) wird gegründet – Die US-Regierung unter Präsident George H. W. Bush erkannte, dass drastische Maßnahmen notwendig waren. Die RTC wurde ins Leben gerufen, um die Abwicklung insolventer S&Ls zu organisieren und die Verluste zu minimieren.
- 1991–1995: Aufarbeitung und Reformen – Die Regierung führte strengere Regulierungen ein, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern.
Kosten und wirtschaftliche Folgen
Die Savings-and-Loan-Krise war eine der teuersten Bankenkrisen in der Geschichte der USA. Die wichtigsten wirtschaftlichen Folgen waren:
- Direkte Kosten: Die Schließung und Abwicklung der gescheiterten S&Ls kostete die US-Regierung ca. 160 Milliarden US-Dollar, was überwiegend durch Steuergelder finanziert wurde.
- Vertrauensverlust in die Finanzbranche: Die Krise führte zu einem starken Misstrauen gegenüber Banken und Finanzinstituten, was strengere Regulierungen und eine Reform der Bankenaufsicht zur Folge hatte.
- Erhöhung der Staatsverschuldung: Die enormen Kosten der Krise führten zu einer weiteren Verschuldung der US-Regierung.
- Bankenregulierungen: In den 1990er Jahren wurden strengere Vorschriften eingeführt, insbesondere mit dem Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act (FIRREA) von 1989, der die Überwachung von S&Ls verschärfte und die FSLIC durch die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) ersetzte.
Langfristige Auswirkungen
Die Savings-and-Loan-Krise hinterließ nachhaltige Spuren in der Finanzwelt:
- Strengere Bankenaufsicht – Die Regulierungsbehörden erhielten mehr Befugnisse zur Überwachung und Kontrolle von Finanzinstituten.
- Konzentration im Bankensektor – Viele kleine S&Ls verschwanden, während größere Banken ihren Marktanteil ausbauten.
- Veränderte Kreditvergabe – Banken wurden vorsichtiger bei der Vergabe von Immobilienkrediten, was langfristig den Immobilienmarkt beeinflusste.
- Lehren für zukünftige Finanzkrisen – Viele der Fehler, die zur Savings-and-Loan-Krise führten, wiederholten sich in der Finanzkrise von 2007–2008, insbesondere die Vergabe riskanter Kredite und das Missmanagement von Finanzinstituten.
Fazit
Die Savings-and-Loan-Krise der 1980er Jahre war eine der schwersten Bankenkrisen in der Geschichte der USA und ein klassisches Beispiel für die Gefahren ungezügelter Deregulierung, schlechten Managements und riskanter Spekulationen. Die Kombination aus steigenden Zinsen, politischer Fehlsteuerung und mangelnder Bankenaufsicht führte dazu, dass hunderte Institute zusammenbrachen und die US-Regierung mit massiven Kosten einspringen musste.
Die Krise hatte weitreichende Folgen für die Finanzwelt und die Regulierung von Banken. Sie machte deutlich, dass ein zu lasches Kontrollsystem schwerwiegende wirtschaftliche Schäden verursachen kann. Auch wenn die Lehren aus dieser Krise teilweise in neue Vorschriften eingeflossen sind, zeigte sich in späteren Finanzkrisen, dass ähnliche Muster immer wieder auftreten. Damit bleibt die Savings-and-Loan-Krise ein warnendes Beispiel für die Risiken eines unregulierten Finanzmarktes.