Ökologische Ökonomie Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Preistheorie Nächster Begriff: Steady-State Economy
Eine wichtige Denkschule, die viele Konzepte hervorgebracht hat, die in der Nachhaltigkeitsdebatte und Umweltpolitik eine zentrale Rolle spielen
Die ökologische Ökonomie ist eine wirtschaftswissenschaftliche Denkrichtung, die versucht, die Umwelt in wirtschaftliche Analysen zu integrieren. Sie unterscheidet sich von der traditionellen Umweltökonomie, indem sie wirtschaftliche Prozesse nicht als isoliertes System betrachtet, sondern als eingebettet in die ökologischen Grenzen der Erde.
Ihr Ziel ist es, nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu entwickeln, die Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und soziale Gerechtigkeit berücksichtigen. Während die ökologische Ökonomie viele wichtige Impulse zur Umweltpolitik und nachhaltigen Entwicklung liefert, gibt es auch kritische Stimmen, die ihre Ansätze für zu theoretisch, ineffizient oder wirtschaftsfeindlich halten.
Ursprung und Entwicklung der ökologischen Ökonomie
Die ökologische Ökonomie entstand in den 1970er und 1980er Jahren als Gegenbewegung zur neoklassischen Wirtschaftstheorie, die Umweltfaktoren oft nur als externe Effekte behandelte. Wichtige Wegbereiter waren:
- Nicholas Georgescu-Roegen: Begründer der Bioökonomie, der die Thermodynamik in die Wirtschaftswissenschaft einführte.
- Herman Daly: Entwickelte das Konzept der Steady-State Economy, das ein wirtschaftliches Gleichgewicht ohne Wachstum anstrebt.
- Kenneth Boulding: Schrieb über die „Ökonomie des Raumschiffs Erde“, in der Ressourcen endlich sind und nicht unbegrenzt erneuert werden können.
Seit den 1990er Jahren gewinnt die ökologische Ökonomie zunehmend an Einfluss, insbesondere durch Diskussionen über Klimawandel, Ressourcenknappheit und nachhaltige Entwicklung.
Grundprinzipien der ökologischen Ökonomie
Die ökologische Ökonomie basiert auf mehreren zentralen Annahmen:
1. Wirtschaft als Teil des Ökosystems
- Die traditionelle Ökonomie betrachtet Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch oft als „externe Effekte“.
- Die ökologische Ökonomie argumentiert, dass die Wirtschaft nicht isoliert existiert, sondern in das Ökosystem eingebettet ist.
- Beispiel: Die Wirtschaft kann nur so lange wachsen, wie natürliche Ressourcen nicht übernutzt werden.
2. Begrenztes Wirtschaftswachstum („Steady-State Economy“)
- Klassische Ökonomen wie Adam Smith und Keynes betrachten Wirtschaftswachstum als notwendig für Wohlstand.
- Die ökologische Ökonomie stellt dies infrage: Unendliches Wachstum ist auf einem begrenzten Planeten nicht möglich.
- Beispiel: Fossile Brennstoffe können nicht unbegrenzt genutzt werden, ohne das Klima zu schädigen.
3. Natürliche Kapitalbestände erhalten statt ersetzen
- Die traditionelle Ökonomie geht davon aus, dass natürliche Ressourcen durch Technologie ersetzt werden können (z. B. Öl durch erneuerbare Energien).
- Die ökologische Ökonomie argumentiert, dass einige Ressourcen nicht ersetzbar sind (z. B. Biodiversität, stabile Klimasysteme).
- Beispiel: Regenwälder können nicht einfach durch künstliche CO₂-Speicherung ersetzt werden.
4. Nachhaltige Indikatoren statt BIP als Wohlstandsmaß
- Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst nur wirtschaftliche Aktivität, aber nicht ökologische oder soziale Kosten.
- Alternativen wie der Genuine Progress Indicator (GPI) oder der Happy Planet Index (HPI) sollen soziale und ökologische Faktoren einbeziehen.
- Beispiel: Ein Waldbrand erhöht das BIP (durch Feuerwehr- und Wiederaufbaukosten), aber senkt das echte Wohlstandsniveau.
Politische und wirtschaftliche Maßnahmen der ökologischen Ökonomie
Um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen, fordert die ökologische Ökonomie verschiedene Maßnahmen:
-
Ökosteuern und Umweltabgaben
- Besteuerung von CO₂-Emissionen, Plastikproduktion oder Umweltverschmutzung.
- Beispiel: CO₂-Bepreisung in der EU als Anreiz für klimafreundliche Produktion.
-
Ressourcenbasierte Wirtschaftsmodelle
- Einführung von „Kreislaufwirtschaften“, in denen Abfälle recycelt und Ressourcen wiederverwendet werden.
- Beispiel: Pfandsysteme für Plastikflaschen, um Müll zu vermeiden.
-
Degrowth-Bewegung („Postwachstumsökonomie“)
- Forderung nach weniger Konsum und ressourcenschonenden Lebensweisen.
- Beispiel: Weniger Fleischproduktion zur Reduzierung von CO₂-Emissionen.
-
Strenge Regulierungen für Unternehmen
- Unternehmen sollen verpflichtet werden, ihre Umweltbilanz offenzulegen.
- Beispiel: EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen zwingt Banken, umweltfreundliche Projekte zu finanzieren.
Kritik an der ökologischen Ökonomie
Trotz ihrer positiven Ansätze gibt es viele Kritikpunkte an der ökologischen Ökonomie:
1. Wachstumskritik ist wirtschaftlich problematisch
- Die Annahme, dass Wachstum begrenzt werden muss, widerspricht den Erfahrungen der letzten Jahrhunderte.
- Innovationen und technologischer Fortschritt haben immer wieder neue Wachstumsmöglichkeiten geschaffen (z. B. Digitalisierung, erneuerbare Energien).
- Gegenargument: Wirtschaftswachstum ist notwendig, um Armut zu bekämpfen und den Lebensstandard zu erhöhen.
2. Marktwirtschaftliche Mechanismen werden unterschätzt
- Kritiker argumentieren, dass Märkte Anreize für nachhaltige Innovationen schaffen können.
- Unternehmen investieren bereits freiwillig in grüne Technologien, weil sie langfristig profitabel sind.
- Beispiel: Tesla und andere Unternehmen investieren in Elektromobilität, ohne dass der Staat sie dazu zwingt.
3. Hohe Kosten und Wettbewerbsnachteile
- Strenge Umweltauflagen verteuern Produktion und können Unternehmen aus einem Land verdrängen („Carbon Leakage“).
- Beispiel: Wenn Europa CO₂-intensive Produktion verteuert, könnte sie einfach nach China oder Indien verlagert werden.
4. Technologiefeindlichkeit und Innovationsbremsen
- Manche Vertreter der ökologischen Ökonomie lehnen Technologie als Lösung ab.
- Beispiel: Kernenergie könnte klimafreundliche Energie liefern, wird aber von vielen Umweltökonomen abgelehnt.
- Gegenargument: Technologie kann Effizienz steigern, z. B. durch CO₂-Abscheidung oder synthetische Kraftstoffe.
5. Soziale Ungleichheit wird oft ignoriert
- Strikte Umweltmaßnahmen könnten ärmere Menschen stärker belasten, da nachhaltige Produkte oft teurer sind.
- Beispiel: Höhere Benzinpreise treffen Menschen mit niedrigen Einkommen besonders hart.
Vergleich: Ökologische Ökonomie vs. Neoklassische Ökonomie
Merkmal | Ökologische Ökonomie | Neoklassische Ökonomie |
---|---|---|
Wachstum | Begrenztes Wachstum, „Steady-State Economy“ | Wachstum als Schlüssel für Wohlstand |
Ressourcenverbrauch | Ressourcen sind begrenzt und müssen geschont werden | Ressourcenknappheit wird durch Marktmechanismen gelöst |
Rolle des Staates | Starke Regulierung, Ökosteuern | Marktkräfte lösen Umweltprobleme effizienter |
Nachhaltigkeit | Umwelt an erster Stelle, wirtschaftliche Kosten zweitrangig | Nachhaltigkeit durch Innovation und Marktanreize |
Preisbildung | Ökologische Kosten müssen internalisiert werden | Angebot und Nachfrage bestimmen Preise |
Fazit
Die ökologische Ökonomie ist eine wichtige Denkschule, die aufzeigt, dass die Wirtschaft nicht unabhängig von der Natur existiert und dass Umweltzerstörung langfristig zu wirtschaftlichen und sozialen Krisen führen kann. Sie hat viele Konzepte hervorgebracht, die in der Nachhaltigkeitsdebatte und Umweltpolitik eine zentrale Rolle spielen.
Allerdings gibt es berechtigte Kritik an der praktischen Umsetzbarkeit vieler Vorschläge. Strenge Umweltauflagen könnten Innovationen und Wachstum bremsen, hohe Kosten verursachen und soziale Ungleichheiten verstärken.
Eine realistische Lösung liegt wahrscheinlich in einer Mischung aus marktwirtschaftlichen Anreizen, technologischem Fortschritt und gezielten Umweltmaßnahmen – anstatt in einer vollständigen Abkehr vom Wirtschaftswachstum.