Murabaha (Kosten-Plus-Verkauf) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: ESG-Markt Nächster Begriff: Ijara (Leasing-Vertrag)
Ein zentraler Bestandteil des islamischen Finanzsystems, der eine scharia-konforme Finanzierung von Konsum- und Investitionsgütern ermöglicht
Murabaha ist ein Begriff aus dem islamischen Finanzwesen und bezeichnet eine besondere Form des Handelsvertrags, die insbesondere zur Finanzierung von Investitionen oder Konsumgütern verwendet wird. Im Deutschen wird Murabaha häufig als „Kosten-Plus-Verkauf“ bezeichnet, da der Verkäufer dem Käufer die Kosten des gehandelten Gutes offenlegt und zusätzlich eine vorher vereinbarte Gewinnmarge erhebt. Diese Finanzierungsform ist eine der am häufigsten genutzten Alternativen zum konventionellen Kreditwesen im islamischen Bankensystem, da sie den Zins (Riba), der im Islam verboten ist, umgeht.
Grundprinzip der Murabaha
Im Kern basiert Murabaha auf einem Handelsgeschäft. Die islamische Bank (oder ein anderes Finanzinstitut) kauft zunächst ein vom Kunden gewünschtes Gut – beispielsweise ein Auto oder eine Maschine – auf eigene Rechnung. Anschließend verkauft sie dieses Gut an den Kunden zu einem höheren Preis weiter. Die Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis stellt den Gewinn der Bank dar.
Wichtig ist: Der Kunde kennt den ursprünglichen Einkaufspreis des Gutes sowie die Gewinnmarge. Die Bank übernimmt im ersten Schritt das Eigentum und somit auch das Risiko des Gutes. Erst nach diesem Zwischenschritt kommt der Verkauf an den Endkunden zustande.
Ablauf eines Murabaha-Geschäfts
Der typische Ablauf eines Murabaha-Geschäfts lässt sich in folgenden Schritten darstellen:
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Kunde identifiziert ein Gut, das er finanzieren möchte.
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Bank kauft das Gut vom Händler zum Marktpreis.
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Bank verkauft das Gut an den Kunden mit einer festgelegten Marge.
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Kunde zahlt den Kaufpreis in Raten oder als Einmalzahlung.
Ein vereinfachtes Beispiel:
| Schritt | Beschreibung |
|---|---|
| Kaufpreis | Die Bank kauft ein Auto für 20.000 EUR |
| Gewinnmarge | Die Bank vereinbart mit dem Kunden eine Marge von 2.000 EUR |
| Verkaufspreis | Der Kunde kauft das Auto für 22.000 EUR |
| Rückzahlung | Der Kunde zahlt die 22.000 EUR in 24 Monatsraten à 916,67 EUR |
Juristische und religiöse Grundlagen
Murabaha beruht auf Prinzipien der islamischen Rechtsprechung (Fiqh), insbesondere im Bereich der sogenannten Fiqh al-Mu’amalat (Rechtsvorschriften für wirtschaftliche Transaktionen). Zentral ist hierbei das Verbot von Zinsgeschäften (Riba), wie es im Koran mehrfach betont wird.
Um mit der Scharia konform zu sein, müssen bei einem Murabaha-Vertrag folgende Bedingungen erfüllt sein:
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Die Bank muss das Gut tatsächlich besitzen, bevor sie es weiterverkauft.
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Der Gewinn muss im Voraus festgelegt und transparent sein.
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Es dürfen keine versteckten Zinsen erhoben werden.
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Es darf keine Vertragsbedingung geben, die dem Wesen nach einem konventionellen Kreditvertrag entspricht.
Arten von Murabaha
Es gibt verschiedene Varianten von Murabaha, die je nach Zweck und Vertragspartner eingesetzt werden:
| Murabaha-Typ | Beschreibung |
|---|---|
| Einfache Murabaha | Einmaliger Kauf eines Guts durch die Bank und Verkauf an den Kunden |
| Revolvierende Murabaha | Wiederholte Finanzierung ähnlicher Güter über einen Rahmenvertrag |
| Export-Murabaha | Finanzierung von Exportgütern über eine islamische Bank |
| Import-Murabaha | Finanzierung von Importgeschäften, insbesondere im Außenhandel |
Mathematische Darstellung
Im Gegensatz zu einem Zinsmodell, bei dem der effektive Jahreszins zur Berechnung dient, wird bei Murabaha der Gesamtpreis im Voraus festgelegt. Die monatliche Rückzahlungsrate \( R \) bei einer Laufzeit von \( n \) Monaten und einem Verkaufspreis \( P \) ergibt sich als:
\[ R = \frac{P}{n} \]
Wenn der Einkaufspreis \( E \) und die Gewinnmarge \( G \) bekannt sind, ergibt sich der Verkaufspreis:
\[ P = E + G \]
Vorteile der Murabaha
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Scharia-Konformität: Erlaubt Muslimen, Investitionen zu tätigen, ohne gegen das Zinsverbot zu verstoßen.
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Transparenz: Der Kunde kennt den Einkaufspreis und die Gewinnmarge.
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Planungssicherheit: Feste Rückzahlungsraten über die gesamte Laufzeit.
Herausforderungen und Kritik
Trotz der Beliebtheit im islamischen Finanzwesen steht Murabaha auch in der Kritik, insbesondere wegen folgender Aspekte:
1. Annäherung an konventionelle Kredite
Viele Murabaha-Verträge ähneln in ihrer Struktur stark klassischen Kreditverträgen. Kritiker sprechen daher von einer „verzinslichen Kreditkopie ohne das Wort Zins“.
2. Fehlende Risikoteilung
Ein zentrales Element der islamischen Wirtschaft ist die Risikoteilung zwischen den Vertragsparteien. Da die Bank bei Murabaha kaum am wirtschaftlichen Risiko beteiligt ist, wird dieser Grundsatz oft nicht vollständig erfüllt.
3. Komplexität und Kosten
Der doppelte Eigentumsübergang und die notwendige Dokumentation erhöhen die Transaktionskosten. Dies kann Murabaha im Vergleich zu konventionellen Finanzierungen teurer machen.
4. Missbrauch durch Formeln
In der Praxis wird das Eigentum der Bank oft nur formal übernommen, ohne dass ein echter wirtschaftlicher Eigentumsübergang stattfindet. Dies widerspricht dem eigentlichen Geist der Scharia.
Bedeutung in der Praxis
Murabaha ist die mit Abstand am häufigsten genutzte Finanzierungsform im islamischen Bankwesen. In einigen Ländern wie Saudi-Arabien, Malaysia oder den Vereinigten Arabischen Emiraten macht sie bis zu 70 Prozent aller islamischen Bankprodukte aus. Auch internationale Banken mit islamischen Finanzdienstleistungen bieten Murabaha-Produkte für Privat- und Geschäftskunden an.
Fazit
Murabaha stellt einen zentralen Bestandteil des islamischen Finanzsystems dar und ermöglicht eine scharia-konforme Finanzierung von Konsum- und Investitionsgütern. Das Prinzip des Kosten-Plus-Verkaufs bietet hohe Transparenz und klare vertragliche Bedingungen, ohne dass Zinsen erhoben werden. Dennoch sind Herausforderungen wie fehlende Risikoteilung, Formalismus oder die Annäherung an klassische Kreditmodelle nicht zu übersehen. Damit Murabaha weiterhin eine glaubwürdige Alternative bleibt, bedarf es einer konsequenten Umsetzung nach ethischen und juristischen Maßgaben der islamischen Wirtschaftslehre.