Moral Hazard Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Bank-Runs Nächster Begriff: Schwarzer Dienstag (1929)

Ein bedeutendes wirtschaftliches Problem, das durch asymmetrische Informationen und falsche Anreizstrukturen, die riskantes Verhalten begünstigen entsteht

Moral Hazard (deutsch: moralisches Risiko) beschreibt eine Situation, in der eine Partei bereit ist, höhere Risiken einzugehen, weil sie davon ausgeht, dass die negativen Konsequenzen ihres Handelns von einer anderen Partei getragen werden. Dieses Phänomen tritt besonders in Finanzmärkten, im Versicherungswesen und in staatlichen Rettungsmaßnahmen auf.

Ursprung und Bedeutung von Moral Hazard

Das Konzept des moralischen Risikos ist in der ökonomischen Theorie weit verbreitet und beschreibt insbesondere Probleme, die durch asymmetrische Informationen entstehen. Eine Partei verfügt über mehr oder bessere Informationen als die andere und kann dadurch ihr Verhalten so anpassen, dass sie größere Risiken eingeht, ohne die volle Verantwortung für mögliche Verluste zu tragen.

Ein klassisches Beispiel für Moral Hazard ist die Bankenrettung während der Finanzkrise 2008. Viele Banken hatten hochriskante Finanzprodukte gehandelt, in der Erwartung, dass sie im Krisenfall von Regierungen oder Zentralbanken gerettet werden. Als sie tatsächlich in Schwierigkeiten gerieten, erhielten sie milliardenschwere Hilfspakete – was das Risiko für zukünftige Fehlanreize erhöhte.

Ursachen von Moral Hazard

Das moralische Risiko entsteht häufig in Situationen, in denen eine Versicherung oder eine Garantie dazu führt, dass sich das Verhalten der Beteiligten ändert. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Asymmetrische Informationen: Eine Partei (z. B. eine Bank oder ein Kreditnehmer) hat mehr Informationen über ihr eigenes Verhalten und kann bewusst risikoreiche Entscheidungen treffen.
  • Versicherungsschutz: Personen oder Unternehmen, die wissen, dass sie im Schadensfall abgesichert sind, könnten weniger Vorsicht walten lassen.
  • Staatliche Eingriffe und Rettungspakete: Unternehmen oder Finanzinstitute könnten darauf spekulieren, dass der Staat im Notfall einspringt, was zu riskanterem Verhalten führt.
  • Unzureichende Kontrolle und Anreize: Wenn Manager eines Unternehmens oder Trader in Banken hohe Boni für kurzfristige Gewinne erhalten, aber keine Verantwortung für langfristige Verluste tragen, kann dies zu exzessivem Risiko führen.

Beispiele für Moral Hazard

Moral Hazard tritt in vielen Bereichen der Wirtschaft auf, darunter im Bankwesen, im Versicherungssektor und in der staatlichen Wirtschaftspolitik.

  1. Bankensektor und Finanzkrisen:

    • Banken vergeben riskante Kredite oder investieren in hochriskante Wertpapiere, weil sie davon ausgehen, dass sie im Notfall von der Regierung oder Zentralbank gerettet werden.
    • Das „Too Big to Fail“-Problem ist ein klassisches Beispiel für Moral Hazard: Große Banken wissen, dass ihr Scheitern das gesamte Finanzsystem gefährden könnte, und spekulieren darauf, dass sie im Ernstfall Unterstützung erhalten.
  2. Versicherungswirtschaft:

    • Ein Versicherungsnehmer, der eine Vollkaskoversicherung für sein Auto hat, könnte weniger vorsichtig fahren, da er weiß, dass Schäden abgedeckt sind.
    • Unternehmen könnten bewusst riskantere Geschäftsmodelle wählen, wenn sie durch eine Versicherung gegen Verluste abgesichert sind.
  3. Arbeitsmarkt und Sozialpolitik:

    • Wenn Arbeitslosengeld oder Sozialleistungen sehr hoch sind, könnte ein Teil der Bevölkerung weniger Anreize haben, aktiv nach einer neuen Beschäftigung zu suchen.
    • In Unternehmen, in denen Mitarbeiter unabhängig von ihrer Leistung gleiche Gehälter erhalten, könnten einige Angestellte weniger Anstrengungen zeigen.

Auswirkungen von Moral Hazard

Moral Hazard kann schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen haben:

  • Erhöhtes Risiko im Finanzsystem: Wenn Banken davon ausgehen, dass sie im Notfall gerettet werden, setzen sie ihre Kapitalgeber und letztlich Steuerzahler einem höheren Risiko aus.
  • Kostensteigerung für Versicherungen: Versicherungsunternehmen müssen höhere Prämien verlangen, wenn Versicherte sich risikoreicher verhalten.
  • Ineffiziente Märkte: Unternehmen und Individuen, die bewusst hohe Risiken eingehen, können Marktverzerrungen verursachen, die langfristig zu Instabilitäten führen.

Maßnahmen zur Begrenzung von Moral Hazard

Um Moral Hazard zu reduzieren, gibt es verschiedene Mechanismen und Regulierungen:

  1. Bessere Anreizstrukturen:

    • Banken und Unternehmen sollten Anreize so gestalten, dass langfristige Stabilität wichtiger ist als kurzfristige Gewinne.
    • Manager und Trader könnten durch langfristig ausgelegte Vergütungsmodelle zur Verantwortung gezogen werden.
  2. Striktere Regulierung:

    • Durch höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken (z. B. durch Basel-III-Regulierungen) wird sichergestellt, dass sie Verluste selbst tragen können.
    • Der Finanzsektor kann durch strengere Kontrollen und Meldepflichten transparenter gestaltet werden.
  3. Eigenverantwortung und Haftung:

    • Unternehmen und Banken sollten im Falle von Fehlverhalten stärker haftbar gemacht werden.
    • Bail-in-Mechanismen, bei denen Gläubiger und Aktionäre Verluste tragen, bevor staatliche Rettungsmaßnahmen greifen, können das Risiko reduzieren.
  4. Selbstbeteiligung bei Versicherungen:

    • Versicherungen können eine Selbstbeteiligung oder höhere Prämien für riskanteres Verhalten einführen, um Anreize für vorsichtigeres Handeln zu setzen.

Fazit

Moral Hazard ist ein bedeutendes wirtschaftliches Problem, das in vielen Bereichen des Finanz- und Wirtschaftssystems auftritt. Es entsteht durch asymmetrische Informationen und falsche Anreizstrukturen, die riskantes Verhalten begünstigen. Besonders im Bankensektor und in der Versicherungsbranche kann moralisches Risiko schwerwiegende Folgen haben, wenn Unternehmen und Einzelpersonen nicht die vollen Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen müssen. Durch gezielte Regulierungen, verbesserte Anreizmechanismen und eine stärkere Eigenverantwortung kann das Problem des Moral Hazard begrenzt werden. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Freiheit und finanzieller Stabilität zu finden.