MiFID II Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Legal Entity Identifier (LEI) Nächster Begriff: Best Execution
Die Überarbeitung der Richtlinie hat Transparenz, Wettbewerb und Anlegerschutz erheblich verbessert, bringt aber auch hohe Kosten und Herausforderungen für Finanzdienstleister mit sich
Die Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II) ist eine umfassende Überarbeitung der ursprünglichen MiFID-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive) aus dem Jahr 2007. Sie trat am 3. Januar 2018 in Kraft und zielt darauf ab, die Transparenz der Finanzmärkte zu erhöhen, den Anlegerschutz zu verbessern und den Wettbewerb zwischen Finanzdienstleistern zu fördern. MiFID II enthält strengere Regelungen zur Handelsüberwachung, zu Transparenzvorschriften und zur Regulierung von Finanzinstrumenten in der Europäischen Union (EU).
Hintergrund und Notwendigkeit von MiFID II
Die ursprüngliche MiFID-Richtlinie von 2007 hatte das Ziel, einen einheitlichen europäischen Finanzmarkt zu schaffen. Sie führte neue Handelsplätze wie multilaterale Handelssysteme (MTF) ein, um den Wettbewerb zu fördern, und verlangte von Banken und Brokern die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen („Best Execution“).
Allerdings zeigten sich nach der Finanzkrise 2007–2008 und in den darauffolgenden Jahren einige Schwächen in der Regulierung:
- Mangelnde Transparenz, insbesondere im außerbörslichen Handel (Over-the-Counter, OTC).
- Unzureichender Anlegerschutz, insbesondere im Vertrieb komplexer Finanzprodukte.
- Fehlende Regulierung von Hochfrequenzhandel (High-Frequency Trading, HFT).
- Ungleichgewicht zwischen verschiedenen Handelsplätzen, wodurch einige Akteure regulatorische Schlupflöcher nutzten.
MiFID II wurde eingeführt, um diese Defizite zu beheben und die Stabilität des Finanzsystems weiter zu stärken.
Wesentliche Neuerungen von MiFID II
MiFID II umfasst eine Vielzahl neuer Vorschriften, die Finanzmärkte und Marktteilnehmer betreffen. Zu den wichtigsten Änderungen gehören:
1. Erweiterte Transparenzpflichten für Handelsplätze
Eine der größten Änderungen unter MiFID II ist die Erhöhung der Transparenzanforderungen für alle Handelsplätze. Dies betrifft insbesondere:
- Vorhandelstransparenz: Handelsplätze müssen ihre Preisangebote vor der Ausführung veröffentlichen, um die Marktteilnehmer besser zu informieren.
- Nachhandelstransparenz: Nach der Transaktion müssen Informationen zu Preis, Volumen und Handelszeitpunkt veröffentlicht werden.
- Erweiterung der Transparenzpflichten auf Anleihen, Derivate und andere Finanzinstrumente, die zuvor oft außerhalb regulierter Märkte gehandelt wurden.
Besonders im außerbörslichen Handel (OTC) gab es zuvor große Intransparenz. Mit MiFID II wurden viele dieser Transaktionen auf regulierte Plattformen verlagert.
2. Neue Handelsplattformen: Organisierte Handelssysteme (OTF)
MiFID II führte Organisierte Handelssysteme (OTF) als neue Kategorie von Handelsplätzen ein. Diese Plattformen ergänzen die bereits bestehenden:
- Regulierte Märkte (RM): Traditionelle Börsen wie die Deutsche Börse oder die London Stock Exchange.
- Multilaterale Handelssysteme (MTF): Alternative Handelsplattformen, die Banken oder andere Finanzinstitutionen betreiben.
- Organisierte Handelssysteme (OTF): Flexiblere Plattformen, die speziell für den Handel mit Anleihen, Derivaten und strukturierten Finanzprodukten geschaffen wurden.
Die Einführung der OTFs sollte sicherstellen, dass mehr Finanztransaktionen unter regulatorischer Aufsicht stattfinden.
3. Best Execution – Verbesserte Auftragsausführungspflichten
Bereits unter MiFID I bestand die Verpflichtung, Kundenaufträge zum bestmöglichen Preis und unter den besten Bedingungen auszuführen. MiFID II verschärfte diese Vorgaben:
- Finanzdienstleister müssen jährlich dokumentieren, auf welchen Handelsplätzen sie Kundenaufträge ausführen.
- Neue Berichtspflichten über die Qualität der Auftragsausführung („Execution Quality Reports“).
- Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Geschwindigkeit, Kosten und Wahrscheinlichkeit der Ausführung.
Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Anleger faire Bedingungen erhalten und Finanzdienstleister nicht nur Handelsplätze nutzen, die für sie selbst am profitabelsten sind.
4. Strengere Regeln für Anlegerschutz und Produktvertrieb
MiFID II legt besonderen Fokus auf den Schutz privater und professioneller Anleger. Dazu gehören:
- Verschärfte Eignungs- und Angemessenheitsprüfungen: Vor dem Verkauf von Finanzprodukten müssen Berater prüfen, ob das Produkt für den Kunden geeignet ist.
- Verbot von Retrozessionen (Zuwendungen): Banken und Finanzberater dürfen keine Provisionen von Produktanbietern annehmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
- Einführung von Kosten- und Gebühreninformationen: Finanzdienstleister müssen Anleger klar über alle anfallenden Kosten und Gebühren informieren.
Besonders die neuen Regeln zu Retrozessionen haben große Auswirkungen auf die Finanzbranche. Sie zwingen Banken und Vermögensverwalter, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nicht mehr auf versteckten Gebühren beruhen.
5. Regulierung des Hochfrequenzhandels (HFT)
Der Hochfrequenzhandel, bei dem Algorithmen Tausende von Trades in Sekundenbruchteilen ausführen, wurde unter MiFID II erstmals reguliert. Neue Vorschriften umfassen:
- Registrierungspflicht für HFT-Firmen.
- Strenge Überwachung von Algorithmen durch die Aufsichtsbehörden.
- Pflicht zur Stabilisierung der Märkte durch sogenannte „Market Maker“-Verpflichtungen.
- Einführung von „Circuit Breakers“, die Handelsaktivitäten bei extremen Marktschwankungen stoppen.
Diese Regeln sollen verhindern, dass HFT-Systeme Marktverwerfungen verursachen.
6. Erweiterte Berichtspflichten für Finanzinstitute
MiFID II führte umfangreiche Meldepflichten für Banken, Broker und andere Finanzdienstleister ein. Diese müssen nun detaillierte Informationen zu ihren Handelsaktivitäten an die Aufsichtsbehörden weitergeben. Dies betrifft unter anderem:
- Handelsdaten zu jedem einzelnen Trade.
- Aufzeichnungspflichten für Telefonate und elektronische Kommunikation.
- Detaillierte Berichte über Kundenaufträge und deren Ausführung.
Diese Vorschriften sollen sicherstellen, dass Regulierungsbehörden wie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) verdächtige Transaktionen frühzeitig erkennen können.
Auswirkungen von MiFID II auf den Finanzmarkt
MiFID II hat weitreichende Konsequenzen für alle Marktteilnehmer:
- Mehr Transparenz und bessere Anlegerschutzmaßnahmen führen zu mehr Vertrauen in die Finanzmärkte.
- Steigende Compliance-Kosten belasten Banken und Finanzdienstleister erheblich.
- Verlagerung von Handelsaktivitäten auf regulierte Plattformen verbessert die Überwachung und Reduziert Risiken.
- Neue Geschäftsmodelle für Banken und Berater durch das Verbot von Provisionen im Vertrieb.
Herausforderungen und Kritik
Obwohl MiFID II viele Verbesserungen gebracht hat, gibt es auch Kritik:
- Hohe Regulierungskosten: Finanzdienstleister müssen erhebliche Summen in IT-Systeme und Compliance investieren.
- Rückgang der Liquidität in einigen Märkten: Kleinere Handelsplätze und weniger liquide Wertpapiere haben unter den neuen Transparenzanforderungen gelitten.
- Komplexität der Vorschriften: Viele Unternehmen klagen über den hohen bürokratischen Aufwand.
Fazit
MiFID II stellt einen bedeutenden Schritt in der Finanzmarktregulierung dar. Die Richtlinie hat Transparenz, Wettbewerb und Anlegerschutz erheblich verbessert, bringt aber auch hohe Kosten und Herausforderungen für Finanzdienstleister mit sich. In den kommenden Jahren könnte es weitere Anpassungen geben, um Schwachstellen zu beheben und die Effizienz der Regelungen zu erhöhen. Trotz der Kritik bleibt MiFID II eine der weitreichendsten Regulierungen im europäischen Finanzwesen.