Marxismus Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Keynesianismus Nächster Begriff: Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik
Eine einflussreiche Wirtschaftstheorie und Ideologie, die den Kapitalismus als ausbeuterisch ansieht und eine klassenlose Gesellschaft anstrebt
Der Marxismus ist eine sozialökonomische Theorie, die auf den Werken von Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) basiert. Er analysiert die kapitalistische Wirtschaftsordnung, insbesondere die Beziehungen zwischen Arbeit, Kapital und gesellschaftlichen Klassen. Marxismus ist nicht nur eine ökonomische Theorie, sondern auch eine politische Ideologie, die die Abschaffung des Kapitalismus und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft anstrebt.
Grundlagen des Marxismus
Karl Marx entwickelte seine Theorie als Kritik an der klassischen Nationalökonomie von Adam Smith und David Ricardo. Er sah im Kapitalismus eine Wirtschaftsordnung, die auf Ausbeutung der Arbeiterklasse (Proletariat) durch die Kapitalistenklasse (Bourgeoisie) beruht.
Die wichtigsten theoretischen Grundlagen des Marxismus sind:
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Historischer Materialismus
- Die Geschichte der Menschheit wird durch materielle Produktionsverhältnisse bestimmt, nicht durch Ideen oder Einzelpersonen.
- Gesellschaftliche Entwicklungen erfolgen durch Klassenkämpfe zwischen Besitzenden und Nicht-Besitzenden.
- Jede Gesellschaftsordnung (Feudalismus, Kapitalismus) enthält Widersprüche, die zu ihrem Untergang und einer neuen Gesellschaftsform führen.
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Dialektischer Materialismus
- Gesellschaftliche Veränderungen entstehen durch Widersprüche und Konflikte innerhalb der bestehenden Ordnung.
- Der Kapitalismus trägt in sich bereits die Kräfte seiner eigenen Zerstörung, da er ständig Ungleichheiten und soziale Spannungen verstärkt.
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Arbeitswerttheorie und Mehrwert
- Der Wert eines Produkts wird durch die Menge an Arbeit bestimmt, die zu seiner Herstellung erforderlich ist.
- Kapitalisten eignen sich den Mehrwert an – den Teil der von Arbeitern geschaffenen Wertschöpfung, den diese nicht als Lohn erhalten.
- Dadurch entsteht die Ausbeutung des Proletariats: Arbeiter erhalten nur einen Bruchteil des Wertes, den sie produzieren, während Kapitalisten den Rest als Gewinn behalten.
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Klassengesellschaft und Klassenkampf
- Die Gesellschaft ist in zwei Hauptklassen gespalten:
- Bourgeoisie: Besitzer von Produktionsmitteln (Fabriken, Maschinen, Land).
- Proletariat: Arbeiterklasse, die keine Produktionsmittel besitzt und ihre Arbeitskraft verkaufen muss.
- Der Kapitalismus kann nur durch eine sozialistische Revolution überwunden werden, in der das Proletariat die Produktionsmittel übernimmt.
- Die Gesellschaft ist in zwei Hauptklassen gespalten:
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Diktatur des Proletariats und Kommunismus
- Nach der Revolution soll eine Übergangsphase (Sozialismus) entstehen, in der der Staat die Wirtschaft zentral plant.
- Langfristiges Ziel: Der Kommunismus, eine klassenlose Gesellschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln und ohne staatliche Herrschaft.
Marxistische Wirtschaftstheorie
Marx analysierte den Kapitalismus als Wirtschaftssystem und erklärte seine Dynamiken und Widersprüche.
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Kapitalakkumulation und Krisentheorie
- Kapitalisten investieren ihre Gewinne, um immer mehr Kapital anzuhäufen.
- Dies führt zu Überproduktion, sinkenden Profiten und wiederkehrenden Wirtschaftskrisen.
- In Krisenzeiten werden Arbeiter entlassen, was die soziale Ungleichheit verstärkt.
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Tendenz des Falls der Profitrate
- Da Kapitalisten Maschinen durch menschliche Arbeit ersetzen, sinkt der Anteil der lebendigen Arbeit an der Produktion.
- Dadurch fällt langfristig die Profitrate, was zu immer tieferen Krisen führt.
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Kritik an der freien Marktwirtschaft
- Marx sah die Marktwirtschaft nicht als effizientes System, sondern als chaotisch und krisenanfällig.
- Unternehmen konkurrieren um Marktanteile, was zu Monopolen und Ungleichheit führt.
Marxismus in der Praxis
Marx‘ Theorien hatten einen enormen Einfluss auf die Politik und führten zur Entstehung marxistischer Bewegungen weltweit.
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Russische Revolution (1917)
- Wladimir Lenin setzte marxistische Prinzipien in der Sowjetunion um.
- Geplante Wirtschaft, Abschaffung des Privateigentums und zentrale Steuerung wurden eingeführt.
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Sozialistische Staaten des 20. Jahrhunderts
- Neben der UdSSR gab es marxistische Staaten wie China, Kuba oder die DDR, die zentralisierte Wirtschaftsplanung umsetzten.
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Sozialistische Marktwirtschaft (China)
- China hat Marx‘ Ideen weiterentwickelt, indem es eine Mischung aus staatlicher Kontrolle und Marktwirtschaft eingeführt hat.
Kritik am Marxismus
Trotz seines Einflusses gibt es erhebliche Kritik an der marxistischen Theorie:
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Fehlende Anreize in sozialistischen Wirtschaften
- In zentral geplanten Volkswirtschaften gibt es oft wenig Innovation, da Unternehmen nicht durch Wettbewerb motiviert sind.
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Kritik an der Arbeitswerttheorie
- Moderne Ökonomen argumentieren, dass der Wert eines Gutes nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
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Fehlende individuelle Freiheit
- In sozialistischen Staaten wurden politische Freiheiten oft eingeschränkt und autoritäre Regime etabliert.
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Untergangsprognose des Kapitalismus nicht eingetreten
- Der Kapitalismus hat sich durch Reformen, soziale Marktwirtschaft und staatliche Eingriffe stabilisiert.
Marxismus vs. Kapitalismus
Merkmal | Marxismus | Kapitalismus |
---|---|---|
Wirtschaftssystem | Planwirtschaft | Marktwirtschaft |
Eigentum | Kollektivbesitz an Produktionsmitteln | Privateigentum |
Verteilung des Wohlstands | Nach Bedürfnissen | Nach Marktmechanismen |
Anreize zur Produktion | Gesellschaftliches Ziel | Gewinnmaximierung |
Soziale Ungleichheit | Soll beseitigt werden | Akzeptiert als Teil des Systems |
Staatliche Rolle | Starke Kontrolle | Begrenzte Eingriffe |
Fazit
Der Marxismus ist eine einflussreiche Wirtschaftstheorie und Ideologie, die den Kapitalismus als ausbeuterisch ansieht und eine klassenlose Gesellschaft anstrebt. Seine Ideen führten zu tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Veränderungen weltweit.
Während seine Analyse sozialer Ungleichheit weiterhin relevant ist, haben sich viele seiner wirtschaftlichen Prognosen nicht bewahrheitet. Der Kapitalismus hat sich durch Reformen stabilisiert, und sozialistische Experimente hatten oft wirtschaftliche und politische Probleme. Dennoch bleibt der Marxismus eine wichtige Theorie in der Debatte über Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme.