London Interbank Offered Rate (LIBOR) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Leverage-Effekt Nächster Begriff: Liquidation
Ein zentraler Referenzzinssatz im globalen Finanzwesen, der als Benchmark für eine Vielzahl von Finanzprodukten diente
Die London Interbank Offered Rate (LIBOR) war über Jahrzehnte hinweg einer der weltweit wichtigsten Referenzzinssätze. Er wurde täglich als Durchschnittszinssatz berechnet, zu dem große internationale Banken bereit waren, sich gegenseitig unbesicherte Kredite in verschiedenen Währungen zu gewähren. Der LIBOR diente als Benchmark für eine Vielzahl von Finanzprodukten, darunter Kredite, Hypotheken, Anleihen und Derivate, und beeinflusste die Zinssätze von Finanztransaktionen im Wert von Billionen von US-Dollar weltweit.
Der LIBOR wurde von der ICE Benchmark Administration (IBA) verwaltet und in mehreren Währungen und Laufzeiten veröffentlicht. Zu den gängigen Währungen gehörten der US-Dollar (USD), Euro (EUR), britisches Pfund (GBP), japanischer Yen (JPY) und Schweizer Franken (CHF). Der LIBOR wurde für Laufzeiten von einem Tag bis zu 12 Monaten festgelegt und spiegelte die Refinanzierungskosten der Banken wider.
Funktionsweise und Berechnung des LIBOR
Der LIBOR basierte auf den täglichen Berichten einer Gruppe von Panel-Banken. Diese Banken schätzten, zu welchem Zinssatz sie bereit wären, sich unbesicherte Kredite von anderen Banken zu leihen. Diese Schätzungen wurden dann zusammengetragen, und die höchsten und niedrigsten Beiträge wurden ausgeschlossen. Der Durchschnitt der verbleibenden Schätzungen bildete den LIBOR für die jeweilige Währung und Laufzeit.
Wichtig zu beachten ist, dass der LIBOR auf Schätzungen und nicht auf tatsächlichen Transaktionen beruhte. Dies ermöglichte Flexibilität in der Berechnung, war aber auch anfällig für Manipulationen.
Verwendung des LIBOR
Der LIBOR diente als Referenzzinssatz für eine breite Palette von Finanzprodukten und -märkten:
-
Kredite und Hypotheken: Viele variable Zinssätze für Konsumentenkredite und Hypotheken wurden auf den LIBOR gesetzt. Beispielsweise könnte ein Kreditvertrag einen Zinssatz auf Basis des 3-Monats-LIBOR zuzüglich eines festen Aufschlags festlegen. Änderungen im LIBOR beeinflussten somit direkt die Kreditkosten für Verbraucher und Unternehmen.
-
Anleihen: Variable Zinssätze für Unternehmens- und Staatsanleihen wurden oft an den LIBOR gekoppelt. Wenn der LIBOR stieg, erhöhten sich die Zinszahlungen auf diese Anleihen entsprechend.
-
Derivate: Der LIBOR war eine wichtige Benchmark in Zinsderivaten wie Zinsswaps, Futures und Optionen. In diesen Fällen basierten die Zinszahlungen auf dem LIBOR, was die Flexibilität und Anpassung an Marktentwicklungen erleichterte.
-
Syndizierte Kredite: In syndizierten Krediten, bei denen mehrere Banken zusammenarbeiten, um einem Unternehmen eine große Finanzierung bereitzustellen, diente der LIBOR oft als Basiszinssatz für die Kreditbedingungen.
LIBOR-Skandal und seine Auswirkungen
Im Jahr 2012 geriet der LIBOR aufgrund eines Manipulationsskandals in die Schlagzeilen. Es stellte sich heraus, dass einige der an der LIBOR-Berechnung beteiligten Banken den Zinssatz zu ihrem Vorteil manipuliert hatten. Indem sie falsche Zinsschätzungen abgaben, konnten diese Banken ihre Gewinne aus Handelsgeschäften erhöhen oder ihre Refinanzierungskosten senken. Der Skandal führte zu erheblichen rechtlichen und regulatorischen Konsequenzen, darunter hohe Geldstrafen für die beteiligten Banken und eine Vertrauenskrise in den LIBOR als zuverlässige Benchmark.
Der LIBOR-Skandal verdeutlichte die Schwächen eines auf Schätzungen basierenden Zinssatzes und beschleunigte den Übergang zu alternativen Zinssätzen, die auf tatsächlichen Transaktionen und nicht auf Schätzungen beruhen.
Abschaffung und Ersatz des LIBOR
Aufgrund des Skandals und der Zweifel an der Integrität des LIBOR beschlossen die Regulierungsbehörden weltweit, den LIBOR schrittweise abzuschaffen. Die meisten LIBOR-Zinssätze wurden Ende 2021 eingestellt, und die verbleibenden US-Dollar-basierten LIBOR-Zinssätze sollen bis Juni 2023 auslaufen.
Um den LIBOR zu ersetzen, wurden verschiedene alternative Referenzzinssätze eingeführt, die stärker auf tatsächlichen Marktdaten beruhen:
-
SOFR (Secured Overnight Financing Rate): Der SOFR ist der wichtigste Ersatz für den US-Dollar-LIBOR. Er basiert auf Transaktionen im US-amerikanischen Repo-Markt, in dem Banken gesicherte Übernachtkredite aufnehmen. Im Gegensatz zum LIBOR basiert der SOFR auf tatsächlichen Transaktionen und nicht auf Schätzungen.
-
€STR (Euro Short-Term Rate): Der €STR ersetzt den EONIA und teilweise den EURIBOR für den Euro-Raum. Er basiert auf unbesicherten Übernachtkrediten im Euro-Markt.
-
SONIA (Sterling Overnight Index Average): SONIA ist der Ersatz für den GBP-LIBOR und wird im britischen Pfund-Markt verwendet. Er basiert ebenfalls auf realen Transaktionen und spiegelt die Übernachtzinsen im Interbankenmarkt wider.
-
SARON (Swiss Average Rate Overnight): SARON dient als Ersatz für den CHF-LIBOR und basiert auf Transaktionen im Schweizer Repo-Markt.
Unterschiede zwischen LIBOR und den neuen Referenzzinssätzen
Die neuen Referenzzinssätze unterscheiden sich in mehreren wichtigen Punkten vom LIBOR:
-
Transaktionsbasierte Berechnung: Während der LIBOR auf Schätzungen von Banken beruhte, basieren die neuen Zinssätze auf tatsächlichen Transaktionen. Dies erhöht die Transparenz und Zuverlässigkeit der Zinssätze.
-
Übernacht-Zinssätze: Die meisten neuen Referenzzinssätze, wie SOFR und €STR, sind Übernacht-Zinssätze, die täglich berechnet werden. Der LIBOR bot Zinssätze für verschiedene Laufzeiten an, von einem Tag bis zu 12 Monaten. Bei den neuen Zinssätzen müssen längere Zeiträume oft durch Durchschnittsbildung oder andere Berechnungsmethoden abgeleitet werden.
-
Sicherheiten: Einige der neuen Zinssätze, wie der SOFR und der SARON, basieren auf besicherten Transaktionen, was bedeutet, dass die zugrunde liegenden Kredite durch Sicherheiten abgesichert sind. Der LIBOR basierte auf unbesicherten Krediten, was das Ausfallrisiko der Banken widerspiegelte.
Fazit
Die London Interbank Offered Rate (LIBOR) war lange Zeit ein zentraler Referenzzinssatz im globalen Finanzwesen und diente als Benchmark für eine Vielzahl von Finanzprodukten. Der Manipulationsskandal im Jahr 2012 führte jedoch zu erheblichen Zweifeln an der Integrität des LIBOR und beschleunigte seine schrittweise Abschaffung. Inzwischen haben alternative Referenzzinssätze, die stärker auf tatsächlichen Transaktionen basieren, den LIBOR abgelöst. Diese neuen Zinssätze, wie der SOFR und der €STR, bieten eine verlässlichere Grundlage für die Preisgestaltung von Finanzprodukten und tragen dazu bei, das Vertrauen in die globalen Finanzmärkte zu stärken.