Leverage Ratio Börsenlexikon Vorheriger Begriff: High-Quality Liquid Assets (HQLA) Nächster Begriff: Debt-to-Income Ratio (DTI)

Eine der wichtigsten Bankenkennzahlen zur Begrenzung der Verschuldung und zur Stärkung der Finanzmarktstabilität, die sicher stellt, dass Banken über ausreichend Eigenkapital verfügen, um Verluste abzufedern, und die risikobasierten Kapitalvorschriften ergänzt

Die Leverage Ratio ist eine regulatorische Kennzahl, die das Verhältnis zwischen dem Eigenkapital einer Bank und ihrer gesamten Bilanzsumme misst. Sie wurde im Rahmen der Basel-III-Regulierung eingeführt, um sicherzustellen, dass Banken nicht übermäßig fremdfinanziert sind und ausreichend Kapital für den Krisenfall vorhalten.

Im Gegensatz zu den risikogewichteten Kapitalanforderungen der Basel-Regeln stellt die Leverage Ratio eine risikounabhängige Messgröße dar. Ihr Hauptziel ist es, exzessive Verschuldung im Bankensektor zu verhindern und so die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen.

Hintergrund und Entwicklung der Leverage Ratio

Die globale Finanzkrise 2008 offenbarte schwerwiegende Schwächen in der Bankenregulierung. Viele Banken hielten nur sehr geringe Eigenkapitalreserven, da sie sich auf risikogewichtete Kapitalanforderungen verließen. Dadurch waren sie anfällig für unerwartete Verluste, was zu massiven Bankenrettungen und Marktverwerfungen führte.

Als Reaktion darauf führte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) im Rahmen von Basel III die Leverage Ratio als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme ein. Sie soll verhindern, dass Banken durch übermäßige Verschuldung und bilanzielle Risikoverlagerungen systemische Krisen verursachen.

Die Mindestanforderung für die Leverage Ratio wurde in Basel III auf 3 % festgelegt und 2017 endgültig bestätigt. In der Europäischen Union wurde die Vorschrift durch die Capital Requirements Regulation (CRR II) 2021 verbindlich eingeführt.

Zielsetzung der Leverage Ratio

Die Leverage Ratio verfolgt mehrere zentrale Ziele:

  1. Vermeidung übermäßiger Fremdfinanzierung

    • Banken sollen einen ausreichenden Eigenkapitalpuffer haben, um Verluste aus eigener Kraft tragen zu können.
  2. Erhöhung der Finanzstabilität

    • Reduzierung der Wahrscheinlichkeit von Bankenpleiten und Systemkrisen.
  3. Ergänzung zu risikobasierten Kapitalvorschriften

    • Da die risikogewichteten Eigenkapitalquoten manipulierbar sein können, bietet die Leverage Ratio eine zusätzliche Absicherung.
  4. Verbesserung der Markttransparenz

    • Durch die Einführung einer einheitlichen Messgröße wird die Vergleichbarkeit zwischen Banken verbessert.

Berechnung der Leverage Ratio

Die Leverage Ratio wird als Verhältnis des Kernkapitals (Tier 1 Capital) zur Gesamtverschuldung berechnet:

Leverage Ratio=Tier-1-KapitalGesamtverschuldung3% \text{Leverage Ratio} = \frac{\text{Tier-1-Kapital}}{\text{Gesamtverschuldung}} \geq 3\%

1. Zähler: Tier-1-Kapital

Das Tier-1-Kapital umfasst:

  • Hartes Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET1): Stammaktienkapital, Gewinnrücklagen, einbehaltene Gewinne.
  • Zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1, AT1): Nachrangige Anleihen und hybride Finanzierungsinstrumente.

2. Nenner: Gesamtverschuldung

Die Gesamtverschuldung umfasst sämtliche Bilanz- und außerbilanzielle Positionen, einschließlich:

  • Bilanzsumme (Assets) – z. B. Kredite, Anleihen, Immobilienbesitz.
  • Außerbilanzielle Verpflichtungen – z. B. Kreditlinien, Bürgschaften, Derivate.

Mindestanforderung für die Leverage Ratio

Die Basel-III-Regeln legen eine Mindest-Leverage Ratio von 3 % fest. Das bedeutet:

  • Eine Bank mit einem Tier-1-Kapital von 3 Mrd. Euro darf maximal eine Gesamtverschuldung von 100 Mrd. Euro haben.
  • Wenn die Verschuldung steigt, muss die Bank ihr Eigenkapital entsprechend erhöhen, um die Mindestquote einzuhalten.

In einigen Ländern gelten für systemrelevante Banken (G-SIBs) sogar höhere Anforderungen:

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Federal Reserve verlangen von großen Banken Leverage Ratios von bis zu 5 %.

Bedeutung der Leverage Ratio für Banken

Die Einführung der Leverage Ratio hatte erhebliche Auswirkungen auf Banken:

  1. Erhöhung der Eigenkapitalquote

    • Banken müssen mehr hartes Kernkapital (CET1) halten, um ihre Verschuldung abzusichern.
  2. Veränderung der Geschäftsmodelle

    • Banken, die stark auf Fremdkapital setzen, mussten ihre Strategien anpassen.
  3. Beschränkung auf risikoärmere Geschäfte

    • Banken bevorzugen zunehmend hochwertige, risikoarme Vermögenswerte, da diese die Leverage Ratio nicht verbessern.
  4. Reduzierung außerbilanzieller Risiken

    • Banken versuchen, weniger risikoreiche außerbilanzielle Geschäfte wie Derivate und Kreditlinien einzugehen.

Herausforderungen und Kritik an der Leverage Ratio

Trotz ihrer positiven Effekte gibt es auch Kritik an der Leverage Ratio:

  1. Nicht risikobasiert

    • Die Leverage Ratio berücksichtigt nicht das Risiko der Vermögenswerte – eine Staatsanleihe wird genauso behandelt wie ein Hochrisiko-Kredit.
  2. Anreiz zur Reduzierung risikoarmer Vermögenswerte

    • Banken könnten weniger Kredite an Unternehmen und Haushalte vergeben, da dies ihre Verschuldung erhöht.
  3. Erhöhter Eigenkapitalbedarf

    • Banken müssen Kapitalreserven aufbauen, was ihre Rentabilität verringern kann.
  4. Unterschiedliche Umsetzung weltweit

    • Während die Mindestquote global bei 3 % liegt, haben einige Länder strengere Anforderungen für große Banken.

Internationale Umsetzung der Leverage Ratio

Die Umsetzung der Leverage Ratio variiert je nach Region:

Region Mindest-Leverage Ratio
Basel III (global) 3 %
Europäische Union (CRR II) 3 % (bis zu 5 % für systemrelevante Banken)
USA (Federal Reserve) 5 % für große Banken
Schweiz (SNB) Bis zu 5 % für Großbanken

Verhältnis zur risikogewichteten Kapitalquote

Die Leverage Ratio ergänzt die risikogewichteten Kapitalanforderungen der Basel-Regeln. Während die Eigenkapitalquote (CET1-Ratio) das risikogewichtete Kapital einer Bank betrachtet, stellt die Leverage Ratio sicher, dass auch ohne Risikogewichtung genügend Kapital vorhanden ist.

Kennzahl Fokus Berechnung
CET1-Ratio Risikoangepasstes Kapital Tier-1-Kapital / Risikogewichtete Aktiva
Leverage Ratio Gesamtverschuldung Tier-1-Kapital / Gesamtverschuldung

Fazit

Die Leverage Ratio ist eine der wichtigsten Bankenkennzahlen zur Begrenzung der Verschuldung und zur Stärkung der Finanzmarktstabilität. Sie stellt sicher, dass Banken über ausreichend Eigenkapital verfügen, um Verluste abzufedern, und ergänzt die risikobasierten Kapitalvorschriften.

Trotz einiger Herausforderungen bleibt die Leverage Ratio ein entscheidendes Instrument zur Regulierung von Banken und zur Verhinderung von Finanzkrisen. Mit zukünftigen Reformen könnte sie weiterentwickelt werden, um eine noch bessere Balance zwischen Stabilität und Kreditvergabe zu gewährleisten.