Influencer-Betrug Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Smurfing Nächster Begriff: Kim Kardashian (EthereumMax, 2022)

Eine neue Form der Marktmanipulation und des Finanzbetrugs, die auf die Digitalisierung von Finanzmärkten und den wachsenden Einfluss sozialer Medien zurückgeht

Influencer-Betrug ist ein wachsendes Phänomen an der Schnittstelle von Finanzmärkten, digitalem Marketing und sozialen Medien. Dabei nutzen Einzelpersonen oder Gruppen ihre Online-Reichweite – insbesondere auf Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube, Telegram oder X (ehemals Twitter) – gezielt aus, um finanzielle Interessen auf betrügerische Weise zu verfolgen. Der Begriff umfasst ein breites Spektrum manipulativer oder irreführender Praktiken, durch die Investoren, Konsumenten oder Plattformbetreiber getäuscht und wirtschaftlich geschädigt werden können.

Im engeren finanzbezogenen Sinne bezieht sich Influencer-Betrug häufig auf das absichtliche Beeinflussen von Wertpapierkursen oder Krypto-Assets, um Eigennutzen zu erzielen, etwa durch Preismanipulation, versteckte Werbung oder gezielte Täuschung über Anlagechancen. Besonders betroffen sind junge und unerfahrene Anleger, die Social-Media-Plattformen zunehmend als Informationsquelle für finanzielle Entscheidungen nutzen.

Grundlagen und typische Erscheinungsformen

Influencer-Betrug lässt sich nicht auf eine einzige Methode reduzieren. Vielmehr handelt es sich um ein Phänomen mit verschiedenen Ausprägungen. Zu den wichtigsten zählen:

  1. Pump-and-Dump-Schemata
    Der Influencer kauft vorab eine bestimmte Aktie oder Kryptowährung und bewirbt sie anschließend stark über soziale Medien – oft mit reißerischen Aussagen („1000 % Rendite“, „Geheimtipp“, „nur für kurze Zeit“). Dadurch steigen Nachfrage und Kurs („Pump“). Sobald der Preis ausreichend gestiegen ist, verkauft der Influencer seine eigenen Bestände mit Gewinn, während spätere Käufer hohe Verluste erleiden („Dump“).

  2. Versteckte Werbung ohne Kennzeichnung
    Produkte, Dienstleistungen oder Finanzinstrumente werden als persönliche Empfehlung dargestellt, obwohl der Influencer dafür bezahlt wurde. Dies verstößt gegen gesetzliche Kennzeichnungspflichten (§ 5a UWG, Art. 7 Abs. 1 LMIV) und kann zu Irreführung führen.

  3. Falsche Gewinnversprechen
    Influencer werben für Investmentsysteme, Trading-Plattformen oder Kryptowährungen mit unrealistischen Versprechen („garantierte Gewinne“, „passives Einkommen“) – oft ohne Hinweise auf Risiken oder rechtliche Einordnung.

  4. Fake-Kooperationen und Identitätsdiebstahl
    Es gibt Fälle, in denen Kriminelle sich als bekannte Influencer ausgeben, um in deren Namen betrügerische Produkte zu bewerben. Auch die unautorisierte Nutzung von Logos bekannter Unternehmen ist verbreitet.

  5. Verkauf nutzloser oder betrügerischer Finanzprodukte
    Dazu zählen etwa wertlose Kryptowährungen (sogenannte Shitcoins), gefälschte Trading-Bots, NFT-Projekte ohne Substanz oder unseriöse Online-Kurse, die angeblich Reichtum durch Daytrading versprechen.

Psychologie und Wirkmechanismen

Influencer-Betrug funktioniert vor allem, weil er emotionale und soziale Mechanismen gezielt ausnutzt:

  • Vertrauen durch Nähe: Influencer vermitteln ein Gefühl von Authentizität und persönlicher Beziehung zu ihren Followern.
  • FOMO (Fear of Missing Out): Das Gefühl, eine einmalige Chance zu verpassen, führt zu irrationalen Entscheidungen.
  • Gruppendruck: Die Community agiert als Verstärker, indem sie euphorisch auf Inhalte reagiert und kritische Stimmen verdrängt.
  • Informationsasymmetrie: Viele Follower haben keine Erfahrung im Umgang mit Finanzprodukten und verlassen sich auf die scheinbare Expertise der Influencer.

Regulatorischer Rahmen

Influencer-Betrug kann eine Vielzahl von Rechtsnormen verletzen. Relevante Regelwerke in Deutschland und der EU sind unter anderem:

  • Marktmissbrauchsverordnung (MAR): Bei Kursmanipulation an regulierten Märkten können strafbare Verstöße vorliegen (z. B. „Scalping“, „Pump and Dump“).
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG): Verstöße gegen Insiderregeln oder unzulässige Empfehlungen sind bußgeldbewährt.
  • Geldwäschegesetz (GwG): Verdächtige Transaktionen in Verbindung mit betrügerischen Aktivitäten können meldepflichtig sein.
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Unlautere Werbepraktiken und fehlende Werbekennzeichnungen sind zivil- und verwaltungsrechtlich relevant.
  • Telemediengesetz (TMG) / Medienstaatsvertrag (MStV): Regeln zur Impressumspflicht, redaktionellen Verantwortung und Plattformverantwortung.

Strafrechtliche Aspekte

Je nach Ausprägung kann Influencer-Betrug auch strafrechtlich verfolgt werden, etwa wegen:

  • Betrug (§ 263 StGB)
  • Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB)
  • Marktmanipulation (§ 119 WpHG)
  • Verstoß gegen das Kreditwesengesetz (§ 54 KWG), wenn z. B. ohne Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben werden

Auch Beihilfe und Anstiftung zu Straftaten sowie das Einwerben von Anlegergeldern ohne Erlaubnis (Prospektpflicht) können strafbar sein.

Beispiele aus der Praxis

Einige bekannte Fälle veranschaulichen die Tragweite:

  • GameStop (2021): Während die Reddit-Community r/WallStreetBets keine klassischen Influencer-Struktur hatte, wurde die gezielte Kursbeeinflussung durch soziale Medien international diskutiert.
  • Kim Kardashian (2022): Wurde von der US-Börsenaufsicht SEC zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie eine Kryptowährung (EthereumMax) beworben hatte, ohne dies als Werbung zu kennzeichnen.
  • Falsche „Finfluencer“ auf TikTok: In vielen Fällen warben selbsternannte Experten für risikoreiche Hebelprodukte oder CFDs, ohne über deren Verlustrisiken aufzuklären.

Prävention und Verbraucherschutz

Zur Eindämmung von Influencer-Betrug braucht es ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen:

  1. Aufklärung und Bildung
    Finanzkompetenz – besonders bei jungen Menschen – ist entscheidend, um Manipulationen zu erkennen. Schulen, Medien und Verbraucherzentralen spielen eine zentrale Rolle.

  2. Transparenzpflichten und Werbekennzeichnung
    Plattformen wie Instagram oder YouTube verlangen inzwischen die Kennzeichnung von Werbung – allerdings mit unterschiedlicher Strenge.

  3. Plattformregulierung
    Die EU hat mit dem Digital Services Act (DSA) neue Regeln eingeführt, die Plattformbetreiber zu mehr Verantwortung im Umgang mit rechtswidrigen Inhalten verpflichten.

  4. Whistleblower-Mechanismen
    Betroffene Nutzer können dubiose Angebote an Aufsichtsbehörden oder Verbraucherschutzorganisationen melden.

  5. Technische Überwachung
    Regulierungsbehörden wie BaFin oder ESMA nutzen inzwischen auch Social-Media-Monitoring-Tools, um manipulative Inhalte frühzeitig zu identifizieren.

Fazit

Influencer-Betrug ist eine neue Form der Marktmanipulation und des Finanzbetrugs, die auf die Digitalisierung von Finanzmärkten und den wachsenden Einfluss sozialer Medien zurückgeht. Besonders gefährdet sind unerfahrene Anleger, die den persönlichen Empfehlungen von Influencern mehr vertrauen als klassischen Informationsquellen. Die Regulierung steht vor der Herausforderung, schnelle, grenzüberschreitende und emotional aufgeladene Kommunikation zu überwachen und rechtssicher zu erfassen. Ein wirksamer Schutz vor Influencer-Betrug erfordert daher präventive Bildung, klare gesetzliche Vorgaben, Plattformverantwortung und die konsequente Durchsetzung bestehender Vorschriften. Nur so lässt sich die Integrität digitaler Finanzmärkte langfristig sichern.