Fibonacci Retracement Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Expiration Date Nächster Begriff: Finanz Terminkontrakt
Ein technisches Analysetool in der Charttechnik, das horizontale Linien auf Basis der Fibonacci-Folge zeichnet, um potenzielle Unterstützungs- und Widerstandsniveaus bei Kurskorrekturen in einem Trend zu identifizieren
Das Fibonacci Retracement ist ein Instrument der technischen Analyse, das im Handel mit Aktien, Indizes, Devisen und anderen Finanzinstrumenten eingesetzt wird, um potenzielle Unterstützungs- und Widerstandsniveaus innerhalb eines bestehenden Trends zu identifizieren. Es basiert auf der Annahme, dass sich Märkte nicht linear bewegen, sondern nach starken Kursimpulsen häufig temporäre Gegenbewegungen zeigen, bevor der übergeordnete Trend fortgesetzt wird. Das Fibonacci Retracement dient dazu, diese möglichen Korrekturbereiche systematisch einzugrenzen.
Seinen Namen verdankt das Instrument der sogenannten Fibonacci-Zahlenfolge, die auf den italienischen Mathematiker Leonardo Fibonacci zurückgeht. In der Finanzmarktanalyse wird jedoch nicht die Zahlenfolge selbst genutzt, sondern bestimmte daraus abgeleitete Verhältniswerte, die als psychologisch relevante Kursmarken interpretiert werden. Diese Marken werden von vielen Marktteilnehmern beobachtet und können dadurch eine selbstverstärkende Wirkung entfalten.
Grundprinzip und Zielsetzung
Das Fibonacci Retracement wird verwendet, um innerhalb einer Kursbewegung mögliche Punkte zu bestimmen, an denen eine Korrektur enden und der ursprüngliche Trend wieder aufgenommen werden könnte. Ausgangspunkt ist stets eine klar erkennbare Bewegung, entweder aufwärts oder abwärts. Zwischen dem Anfangs- und dem Endpunkt dieser Bewegung werden mehrere Retracement-Niveaus eingezeichnet, die als potenzielle Reaktionszonen dienen.
Ziel ist nicht die exakte Vorhersage eines Wendepunkts, sondern die Identifikation von Wahrscheinlichkeitsbereichen, in denen sich Angebot und Nachfrage neu ausbalancieren könnten. Trader und Analysten nutzen diese Bereiche, um Einstiegs-, Ausstiegs- oder Absicherungsentscheidungen strukturierter zu treffen.
Einordnung in die technische Analyse
Das Fibonacci Retracement ist ein klassisches Werkzeug der charttechnischen Analyse. Es gehört zur Gruppe der indikatorlosen Methoden, da es direkt auf der Kursentwicklung basiert und keine zusätzlichen Berechnungen wie gleitende Durchschnitte oder Oszillatoren erfordert. Die Analyse erfolgt ausschließlich anhand des Kursverlaufs und der daraus abgeleiteten Niveaus.
Im Unterschied zu fundamentalen Analyseansätzen, die auf Unternehmenskennzahlen oder makroökonomischen Daten beruhen, konzentriert sich das Fibonacci Retracement auf das Marktverhalten selbst. Es geht davon aus, dass sich Informationen, Erwartungen und Emotionen der Marktteilnehmer bereits im Kurs widerspiegeln.
Typische Retracement-Niveaus
In der Praxis haben sich mehrere Retracement-Stufen etabliert, die von Marktteilnehmern besonders häufig beachtet werden. Dazu zählen insbesondere Rücklaufmarken, die etwa ein gutes Drittel, die Hälfte oder rund zwei Drittel der vorangegangenen Bewegung umfassen. Diese Bereiche werden als potenziell relevant angesehen, weil sie häufig mit früheren Kursreaktionen, erhöhter Handelsaktivität oder psychologischen Schwellen zusammenfallen.
Obwohl diese Niveaus aus mathematischen Verhältnissen abgeleitet sind, liegt ihre praktische Bedeutung weniger in der Theorie als vielmehr in der kollektiven Marktbeobachtung. Da viele Händler dieselben Marken analysieren, entstehen dort häufig erhöhte Umsätze und kurzfristige Richtungsentscheidungen.
Anwendung in Aufwärts- und Abwärtstrends
In einem Aufwärtstrend wird das Fibonacci Retracement zwischen einem markanten Tiefpunkt und einem darauffolgenden Hochpunkt angelegt. Die daraus resultierenden Retracement-Niveaus liegen unterhalb des Hochs und markieren potenzielle Unterstützungszonen. Prallt der Kurs in einer Korrektur an einem dieser Bereiche nach oben ab, wird dies häufig als Bestätigung des übergeordneten Trends interpretiert.
In einem Abwärtstrend erfolgt die Anwendung spiegelbildlich. Hier wird das Instrument zwischen einem Hochpunkt und einem nachfolgenden Tiefpunkt angesetzt. Die Retracement-Niveaus liegen oberhalb des Tiefs und dienen als potenzielle Widerstände, an denen eine Erholung enden und der Abwärtstrend fortgesetzt werden könnte.
In beiden Fällen ist entscheidend, dass ein klarer Trend vorliegt. In seitwärts verlaufenden Märkten verliert das Fibonacci Retracement deutlich an Aussagekraft.
Kombination mit anderen Analyseinstrumenten
In der Praxis wird das Fibonacci Retracement selten isoliert verwendet. Seine Aussagekraft erhöht sich deutlich, wenn es mit anderen Elementen der technischen Analyse kombiniert wird. Besonders häufig erfolgt eine Verknüpfung mit:
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horizontalen Unterstützungs- und Widerstandszonen
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Trendlinien oder gleitenden Durchschnitten
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Chartformationen wie Dreiecken oder Kanälen
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Volumenanalysen oder Momentumindikatoren
Treffen mehrere Analyseansätze in einem ähnlichen Kursbereich zusammen, sprechen Analysten von einer Konzentration technischer Signale. Solche Zonen gelten als besonders relevant, da sie von unterschiedlichen Marktteilnehmern unabhängig voneinander identifiziert werden.
Vorteile des Fibonacci Retracements
Ein wesentlicher Vorteil des Fibonacci Retracements liegt in seiner einfachen und visuellen Anwendbarkeit. Das Instrument ist in nahezu jeder Handelssoftware integriert und kann ohne komplexe Berechnungen eingesetzt werden. Zudem bietet es eine klare Strukturierung möglicher Kursbereiche und unterstützt damit disziplinierte Handelsentscheidungen.
Ein weiterer Vorteil besteht in der breiten Akzeptanz unter Marktteilnehmern. Da viele Trader weltweit mit denselben Retracement-Niveaus arbeiten, besitzen diese Marken eine gewisse Marktrelevanz, unabhängig davon, ob ihre theoretische Herleitung im Einzelfall überzeugt.
Grenzen und Kritik
Trotz seiner Popularität ist das Fibonacci Retracement nicht frei von Kritik. Ein zentraler Kritikpunkt ist die subjektive Wahl der Ausgangspunkte. Je nachdem, welches Hoch oder Tief gewählt wird, können sich unterschiedliche Retracement-Niveaus ergeben. Dies erfordert Erfahrung und ein klares Regelwerk.
Zudem liefert das Instrument keine Aussage über den Zeitpunkt einer Kursreaktion. Es zeigt lediglich mögliche Preisbereiche, nicht jedoch, wann oder ob der Markt dort tatsächlich reagiert. Auch ist das Fibonacci Retracement kein eigenständiges Prognoseinstrument, sondern ein Hilfsmittel zur Strukturierung von Wahrscheinlichkeiten.
In stark trendlosen oder hochvolatilen Marktphasen kann die Aussagekraft deutlich eingeschränkt sein. Falsche Signale sind möglich und müssen durch ein konsequentes Risikomanagement abgefedert werden.
Bedeutung für Trader und Investoren
Das Fibonacci Retracement wird vor allem von kurz- bis mittelfristig orientierten Marktteilnehmern genutzt. Daytrader, Swingtrader und technische Analysten verwenden es zur Planung von Einstiegen, Gewinnzielen und Stop-Niveaus. Langfristige Investoren nutzen es seltener, da ihre Entscheidungen stärker von fundamentalen Faktoren geprägt sind.
Dennoch kann das Instrument auch für längerfristige Marktbeobachtungen hilfreich sein, etwa zur Einordnung größerer Korrekturen innerhalb übergeordneter Trends.
Fazit
Das Fibonacci Retracement ist ein weit verbreitetes Werkzeug der technischen Analyse zur Identifikation potenzieller Unterstützungs- und Widerstandszonen innerhalb bestehender Trends. Es basiert auf häufig beobachteten Rücklaufmustern nach starken Kursbewegungen und dient der strukturierten Einschätzung von Korrekturen. Seine Stärke liegt in der einfachen Anwendung, der visuellen Klarheit und der breiten Akzeptanz unter Marktteilnehmern. Gleichzeitig erfordert es Erfahrung bei der Interpretation und sollte stets mit weiteren Analyseinstrumenten kombiniert werden. Richtig eingesetzt bietet das Fibonacci Retracement einen wertvollen Beitrag zur systematischen Marktanalyse, ersetzt jedoch weder Risikomanagement noch eine umfassende Handelsstrategie.