Europäische Währungssystem (EWS) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Ewige Anleihe Nächster Begriff: Ex BA (Kurszusatz)
Ein System zur Stabilisierung von Wechselkursen zwischen EU-Währungen vor der Euro-Einführung, das Bandbreiten für Schwankungen festlegte und Interventionen ermöglichte, um monetäre Konvergenz zu fördern
Das Europäische Währungssystem (EWS) war ein bedeutendes währungspolitisches Kooperationsinstrument der Europäischen Gemeinschaft (EG), das 1979 ins Leben gerufen wurde. Es diente der Stabilisierung der Wechselkurse zwischen den Mitgliedstaaten und bereitete den Weg für die spätere Einführung der gemeinsamen europäischen Währung, des Euro. Das EWS war somit ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und spiegelt die zunehmende ökonomische Integration Europas seit den 1970er-Jahren wider.
Entstehung und politische Zielsetzung
Das Europäische Währungssystem wurde am 13. März 1979 eingeführt, nachdem die vorherige Wechselkursregelung, das sogenannte Bretton-Woods-System, in den frühen 1970er-Jahren zusammengebrochen war. Ziel war es, den Mitgliedstaaten der EG eine größere Wechselkursstabilität zu ermöglichen, die Preisstabilität zu fördern und den Binnenmarkt durch stabile monetäre Rahmenbedingungen zu unterstützen.
Das EWS war Ausdruck der wachsenden politischen Absicht, in der Europäischen Gemeinschaft eine tiefere wirtschaftliche Integration zu verwirklichen, einschließlich einer langfristigen Perspektive hin zur gemeinsamen Währung.
Zentrale Elemente des EWS
Das Europäische Währungssystem bestand aus mehreren institutionellen und technischen Komponenten, die gemeinsam darauf abzielten, die Wechselkurse innerhalb definierter Bandbreiten zu halten und eine koordinierte Geldpolitik zu fördern. Die wichtigsten Bestandteile waren:
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Europäische Währungseinheit (ECU)
Die ECU (European Currency Unit) war eine künstlich geschaffene Recheneinheit, die auf einem Währungskorb basierte. Dieser Korb setzte sich aus den Währungen der EG-Mitgliedstaaten zusammen, gewichtet nach wirtschaftlicher Bedeutung. Die ECU diente nicht als Zahlungsmittel, sondern als Verrechnungsgröße für Wechselkursbeziehungen, Devisenreserven und Kreditlinien innerhalb des EWS. -
Wechselkursmechanismus (WKM oder ERM)
Der zentrale Mechanismus des EWS war der Wechselkursmechanismus (Exchange Rate Mechanism, ERM), der die bilateralen Wechselkurse der teilnehmenden Währungen innerhalb einer Bandbreite von ±2,25 % um ihre Leitkurse stabilisieren sollte. Einige Länder wie Italien erhielten zunächst eine breitere Bandbreite von ±6 %.Bei Abweichungen wurden die nationalen Zentralbanken verpflichtet, durch Interventionen am Devisenmarkt gegenzusteuern, um die Wechselkursparität aufrechtzuerhalten.
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Interventionsmechanismus
Die nationalen Zentralbanken mussten bei Erreichen der Bandgrenzen automatisch intervenieren, d. h. Devisen kaufen oder verkaufen, um den Wechselkurs im vereinbarten Korridor zu halten. Zudem konnten sie bei Bedarf Kredite in ECU über den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit in Anspruch nehmen. -
Politische Zusammenarbeit
Neben den technischen Komponenten wurde eine intensivere währungspolitische Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten etabliert, insbesondere hinsichtlich Inflation, Zinspolitik und öffentlicher Haushalte.
Entwicklung und Krisen
Das EWS funktionierte über viele Jahre relativ stabil, war jedoch nicht frei von Spannungen. Besonders in den 1990er-Jahren geriet das System unter Druck:
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Unterschiedliche wirtschaftliche Strukturen: Länder wie Deutschland verfolgten eine stark auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik, während andere Mitgliedstaaten mit höheren Inflationsraten und Haushaltsdefiziten konfrontiert waren. Dies erschwerte die Harmonisierung der Geldpolitik.
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Währungsspekulationen: Das EWS geriet 1992/93 durch massive Spekulationswellen unter Druck, insbesondere gegen das Britische Pfund und die Italienische Lira. Beide Länder mussten das System verlassen bzw. ihre Währungen abwerten. Die Spannungen führten 1993 zur Ausweitung der Bandbreiten auf ±15 %, was einer faktischen Aufgabe fester Wechselkurse gleichkam.
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Zins- und Haushaltsdifferenzen: Die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Ausgangslagen erschwerten eine nachhaltige Konvergenz der Teilnehmerländer. Dies zeigte die Grenzen eines Systems fester Wechselkurse ohne zentrale geldpolitische Institution.
Bedeutung für die europäische Integration
Trotz seiner Schwächen war das Europäische Währungssystem ein zentrales Übergangsmodell auf dem Weg zur europäischen Währungsunion. Es diente als Testfeld für:
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Koordination der Geldpolitik
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Stabilitätsorientierung
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Institutionelle Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken
Das EWS bereitete politisch, technisch und institutionell den Boden für den Vertrag von Maastricht (1992), der die Einführung des Euro als gemeinsame Währung festlegte. Die im EWS etablierten Konvergenzkriterien (z. B. Wechselkursstabilität, Inflationskontrolle) wurden später in das Regelwerk zur Euro-Einführung übernommen.
Nachfolgesystem: Wechselkursmechanismus II (WKM II)
Mit der Einführung des Euro im Jahr 1999 wurde das ursprüngliche EWS durch den Wechselkursmechanismus II (WKM II) ersetzt. Dieses System dient dazu, die Wechselkurse zwischen dem Euro und den Währungen jener EU-Staaten zu stabilisieren, die (noch) nicht Mitglied der Eurozone sind, aber beitreten wollen.
Im WKM II gilt ein Leitkurs gegenüber dem Euro mit einer Bandbreite von ±15 %. Auch hier verpflichten sich die teilnehmenden Länder zu geldpolitischer Stabilität und Wechselkursdisziplin als Vorbereitung auf die Euro-Einführung.
Fazit
Das Europäische Währungssystem (EWS) war ein bedeutender Vorläufer der europäischen Währungsunion und trug maßgeblich zur Stabilisierung der Wechselkurse und zur wirtschaftspolitischen Konvergenz innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bei. Durch die Einführung eines Wechselkursmechanismus, einer gemeinsamen Recheneinheit (ECU) und koordinierter geldpolitischer Maßnahmen legte das EWS die strukturellen und institutionellen Grundlagen für die spätere Einführung des Euro. Trotz seiner Krisen in den 1990er-Jahren bleibt das EWS ein historisch wichtiger Baustein der europäischen Finanzintegration und ein Beispiel für die Herausforderungen fester Wechselkurssysteme ohne zentrale Währungsinstanz.