Anzeige
+++Der CEO kauft ein – und das gleich zweimal Startschuss für die nächste Kursrallye?+++

Degrowth Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Carbon Leakage Nächster Begriff: Degrowth-Bewegung

Eine Forderung nach einer radikalen Veränderung der Wirtschaft, um ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu fördern, jedoch zu Wohlstandsverlust, Arbeitslosigkeit und sozialen Konflikten führen könnte

Degrowth, auch als Postwachstumsökonomie oder Schrumpfungsökonomie bekannt, ist eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Denkrichtung, die darauf abzielt, das Wirtschaftswachstum gezielt zu reduzieren. Befürworter argumentieren, dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht möglich sei und dass eine gezielte Verkleinerung der Wirtschaft notwendig sei, um ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität zu verbessern.

Degrowth steht in direktem Widerspruch zur klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie, die Wirtschaftswachstum als Grundlage für Wohlstand, Innovation und Beschäftigung betrachtet. Kritiker warnen, dass eine schrumpfende Wirtschaft zu Arbeitslosigkeit, Wohlstandsverlust und sozialen Spannungen führen könnte.

Ursprung und Entwicklung der Degrowth-Bewegung

Die Idee der Wachstumsreduzierung wurde erstmals in den 1970er Jahren diskutiert. Ein wichtiger Meilenstein war der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) des Club of Rome, der vor den ökologischen und wirtschaftlichen Folgen eines unbegrenzten Wachstums warnte.

Zu den wichtigsten Denkern der Degrowth-Bewegung gehören:

  • Nicholas Georgescu-Roegen: Begründer der Bioökonomie, der argumentierte, dass wirtschaftliche Prozesse den Gesetzen der Thermodynamik unterliegen und Ressourcen endlich sind.
  • Serge Latouche: Einer der bekanntesten Vertreter der modernen Degrowth-Bewegung, der für eine Neugestaltung der Wirtschaft ohne Wachstumszwang plädiert.
  • Tim Jackson: Autor von „Wohlstand ohne Wachstum“, der argumentiert, dass nachhaltiger Wohlstand nicht von BIP-Wachstum abhängt.

Die Degrowth-Idee hat besonders in Europa an Einfluss gewonnen und wird in politischen und akademischen Kreisen intensiv diskutiert.

Grundprinzipien der Degrowth-Ökonomie

  1. Reduktion des Ressourcenverbrauchs

    • Das Ziel ist, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, indem weniger Rohstoffe verbraucht und weniger Emissionen ausgestoßen werden.
    • Beispiel: Förderung von Minimalismus, langlebigen Produkten und Kreislaufwirtschaft.
  2. Weniger Konsum und Arbeitszeit

    • Kritisiert die Konsumgesellschaft und fordert, dass Menschen weniger arbeiten und mehr Zeit für persönliche Entfaltung haben.
    • Beispiel: Einführung der 4-Tage-Woche, um Ressourcenverbrauch zu senken und Lebensqualität zu steigern.
  3. Lokalisierung der Wirtschaft

    • Förderung regionaler und lokaler Wirtschaftssysteme, um globale Lieferketten und Transportemissionen zu reduzieren.
    • Beispiel: Unterstützung von lokalen Bauernmärkten statt globaler Supermarktketten.
  4. Demokratisierung der Wirtschaft

    • Beteiligung der Gesellschaft an wirtschaftlichen Entscheidungen, um eine gerechtere Verteilung von Wohlstand und Ressourcen zu erreichen.
    • Beispiel: Förderung von Genossenschaften und sozialer Ökonomie.
  5. Postmaterialistische Werte

    • Lebensqualität wird nicht durch materiellen Reichtum, sondern durch soziale Beziehungen, Kultur und Selbstverwirklichung definiert.
    • Beispiel: Mehr Investitionen in Bildung, Kultur und soziale Projekte statt in Konsumförderung.

Maßnahmen zur Umsetzung von Degrowth

Um die Wirtschaft gezielt zu „verkleinern“, schlägt die Degrowth-Bewegung verschiedene politische und wirtschaftliche Maßnahmen vor:

  1. Kürzere Arbeitszeiten und Jobsharing

    • Um Arbeitsplätze gerechter zu verteilen, sollen Menschen weniger arbeiten.
    • Beispiel: Einführung der 30-Stunden-Woche, um den Ressourcenverbrauch zu senken.
  2. Ökosteuer und CO₂-Abgaben

    • Besteuerung von Ressourcenverbrauch und Emissionen, um nachhaltiges Verhalten zu fördern.
    • Beispiel: Höhere CO₂-Steuern für Flugreisen und energieintensive Industrien.
  3. Maximal- und Mindesteinkommen

    • Begrenzung von Höchsteinkommen und Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
    • Beispiel: Managergehälter dürfen nicht mehr als das 20-fache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen.
  4. Förderung der Kreislaufwirtschaft

    • Produkte sollen wiederverwendet, repariert oder recycelt werden, statt ständig neu produziert zu werden.
    • Beispiel: Einführung von Reparaturbonus für Elektrogeräte statt geplanter Obsoleszenz.
  5. Subventionen für nachhaltige Unternehmen

    • Staatliche Förderung von Unternehmen, die umweltfreundliche Produkte herstellen.
    • Beispiel: Steuererleichterungen für nachhaltige Startups.

Kritik an Degrowth

Trotz der positiven Absichten gibt es erhebliche Kritik an der Degrowth-Bewegung:

1. Gefahr von Massenarbeitslosigkeit

  • Eine schrumpfende Wirtschaft könnte zu einem dramatischen Arbeitsplatzverlust führen.
  • Beispiel: Wenn weniger Autos produziert werden, verlieren Millionen Arbeiter in der Automobilbranche ihre Jobs.

2. Wachstum ist notwendig für Wohlstand und Innovation

  • Kritiker argumentieren, dass Wirtschaftswachstum historisch für höheren Lebensstandard, Gesundheitsversorgung und technologischen Fortschritt gesorgt hat.
  • Beispiel: Ohne Wirtschaftswachstum wären viele medizinische Fortschritte, wie Impfstoffe oder Krebsforschung, nicht finanzierbar.

3. Soziale Spannungen und Verteilungskämpfe

  • Wenn die Wirtschaft nicht wächst, entstehen Verteilungskonflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.
  • Beispiel: Wer bekommt in einer schrumpfenden Wirtschaft Zugang zu Bildung, Wohnraum oder Gesundheitsversorgung?

4. Unrealistische Umsetzung in einer globalisierten Welt

  • Länder, die auf Degrowth setzen, könnten wirtschaftlich gegenüber wachsenden Nationen wie China oder Indien ins Hintertreffen geraten.
  • Beispiel: Wenn Europa Degrowth umsetzt, aber andere Länder weiter wachsen, könnten europäische Unternehmen an globaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

5. Mögliche Wohlstandsverluste

  • Weniger Konsum und Produktion könnten zu einem allgemeinen Rückgang des Lebensstandards führen.
  • Beispiel: Weniger Steuereinnahmen könnten dazu führen, dass öffentliche Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit) schlechter finanziert werden.

Vergleich: Degrowth vs. Nachhaltiges Wachstum

Merkmal Degrowth Nachhaltiges Wachstum
Ziel Schrumpfung der Wirtschaft Wachstum mit geringeren ökologischen Schäden
Innovationsanreiz Geringer, da Wachstum nicht angestrebt wird Hoch, da neue Technologien gefördert werden
Arbeitsmarkt Kürzere Arbeitszeiten, aber Gefahr von Jobverlusten Neue Arbeitsplätze durch grüne Technologien
Umsetzbarkeit Schwer in globalisierter Welt Eher realistisch, da marktbasiert
Kritikpunkt Gefahr von Wohlstandsverlusten Teilweise weiterhin umweltschädlich

Fazit

Die Degrowth-Bewegung fordert eine radikale Veränderung der Wirtschaft, um ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu fördern. Ihre Konzepte bieten wichtige Impulse für eine nachhaltigere Zukunft, doch sie stehen auch vor erheblichen Herausforderungen.

Während Befürworter argumentieren, dass Wirtschaftswachstum langfristig nicht mit ökologischer Nachhaltigkeit vereinbar ist, kritisieren Gegner, dass Degrowth zu Wohlstandsverlust, Arbeitslosigkeit und sozialen Konflikten führen könnte.

Ein möglicher Mittelweg könnte in der Förderung von „nachhaltigem Wachstum“ liegen, das technologische Innovation, Ressourceneffizienz und soziale Gerechtigkeit kombiniert, ohne auf wirtschaftlichen Fortschritt zu verzichten.