Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Quellensteuer Nächster Begriff: Cum-Ex-Geschäfte
Eine massive Steuervermeidungsstrategien, die Milliarden an Steuereinnahmen kostete
Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte sind zwei Steuervermeidungs- bzw. Steuerhinterziehungsmodelle, die sich auf die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden beziehen. Beide Praktiken nutzen eine gesetzliche Lücke im deutschen Steuerrecht aus, um sich Steuervorteile zu erschleichen, die eigentlich nicht zustehen.
Die Cum-Ex-Geschäfte wurden als einer der größten Steuerbetrugsskandale Europas bekannt, während Cum-Cum-Geschäfte eine grenzüberschreitende Steuervermeidungspraxis darstellen.
Cum-Ex-Geschäfte: Mehrfache Rückerstattung von Kapitalertragsteuer
Cum-Ex bedeutet übersetzt „mit Dividende – ohne Dividende“ und bezieht sich auf den kurzfristigen Kauf und Verkauf von Aktien rund um den Ex-Dividende-Tag, um sich Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten zu lassen.
Funktionsweise der Cum-Ex-Geschäfte
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Ausgangslage:
- In Deutschland wird auf Dividenden eine Kapitalertragsteuer von 25 % erhoben.
- Aktionäre können sich die abgeführte Steuer erstatten lassen, wenn sie eine Steuerbescheinigung besitzen.
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Handel um den Ex-Dividende-Tag:
- Rund um den Ex-Dividende-Tag wurden Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch kurzfristig zwischen mehreren Investoren hin- und hergehandelt.
- Dabei wurde nicht immer klar, wer der tatsächliche Eigentümer der Aktie war.
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Mehrfache Steuererstattung:
- Durch die komplexen Handelsstrukturen wurde eine Kapitalertragsteuerbescheinigung mehrfach ausgestellt, obwohl die Steuer nur einmal abgeführt wurde.
- Banken oder Investoren konnten sich die Steuer mehrfach erstatten lassen.
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Ergebnis:
- Der deutsche Staat zahlte Milliarden Euro an nicht existenten Steuerforderungen aus, da die Steuer mehrfach erstattet wurde, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde.
Beispiel für ein Cum-Ex-Geschäft
- Investor A hält 1.000 Aktien einer deutschen Firma und erhält eine Dividende von 10.000 € (25 % Steuer: 2.500 €).
- Kurz vor dem Ex-Dividende-Tag verkauft er die Aktie an Investor B mit einer Rückkaufvereinbarung.
- Investor B verkauft sie sofort weiter an Investor C.
- Am Ende ist nicht mehr eindeutig, wem die Aktie gehörte – aber mehrere Investoren erhalten Steuerbescheinigungen.
- Der deutsche Staat erstattet insgesamt 5.000 € Kapitalertragsteuer, obwohl nur 2.500 € gezahlt wurden.
Finanzieller Schaden:
- Schätzungen zufolge entstand Deutschland durch Cum-Ex-Geschäfte ein Steuerschaden von über 30 Milliarden Euro.
Cum-Cum-Geschäfte: Steuervermeidung durch ausländische Investoren
Während Cum-Ex eine illegale Steuerhinterziehung ist, handelt es sich bei Cum-Cum-Geschäften um eine legale, aber missbräuchliche Steuervermeidung.
Funktionsweise der Cum-Cum-Geschäfte
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Ausgangslage:
- Ausländische Investoren müssen in Deutschland auf ihre Dividenden eine Quellensteuer von 25 % zahlen.
- Diese Steuer kann in vielen Fällen nicht oder nur teilweise angerechnet werden.
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Steuervermeidung durch deutsche Banken:
- Um die Quellensteuer zu umgehen, übertragen ausländische Investoren ihre Aktien kurz vor dem Ex-Dividende-Tag an eine deutsche Bank oder einen institutionellen Anleger.
- Diese Banken oder Fonds haben das Recht auf eine Steuererstattung, weil sie als deutsche Steuerzahler gelten.
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Rückübertragung der Aktien:
- Nach der Dividendenausschüttung werden die Aktien an den ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben.
- Der Gewinn wird zwischen den Beteiligten aufgeteilt, während der deutsche Fiskus auf Steuereinnahmen verzichtet.
Beispiel für ein Cum-Cum-Geschäft
- Ein Schweizer Pensionsfonds hält deutsche Aktien mit einer erwarteten Dividende von 10 Mio. €.
- Er müsste 2,5 Mio. € Quellensteuer zahlen und hätte nur Anspruch auf eine teilweise Anrechnung in der Schweiz.
- Kurz vor dem Ex-Dividende-Tag überträgt er die Aktien an eine deutsche Bank.
- Die Bank erhält die Dividende und kann sich die Steuer vollständig erstatten lassen.
- Nach der Dividendenausschüttung gibt die Bank die Aktien an den Pensionsfonds zurück und beide teilen sich den Steuergewinn.
Ergebnis:
- Der deutsche Fiskus verzichtet auf Steuerzahlungen, die sonst fällig wären.
- Der ausländische Investor zahlt weniger oder gar keine Steuer auf die Dividende.
Rechtliche Konsequenzen und Steuerreformen
1. Maßnahmen gegen Cum-Ex-Geschäfte
- Seit 2012 sind Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland explizit verboten.
- Gerichte stuften Cum-Ex als Steuerbetrug ein, da der Staat mehrfach Steuern erstattete, die nie gezahlt wurden.
- Hochrangige Banker, Investoren und Steueranwälte wurden angeklagt und verurteilt.
2. Maßnahmen gegen Cum-Cum-Geschäfte
- Seit 2016 wurden Cum-Cum-Geschäfte durch neue Gesetze stark eingeschränkt.
- Bedingungen für Steuererstattungen wurden verschärft, sodass deutsche Banken keine Steuererleichterungen für ausländische Investoren mehr beantragen können.
3. Europäische Ebene
- Der Cum-Ex-Skandal führte dazu, dass viele europäische Länder ihre Steuerregelungen verschärften.
- Kooperation zwischen Steuerbehörden wurde verbessert, um internationalen Steuerbetrug zu verhindern.
Vergleich Cum-Ex vs. Cum-Cum
| Merkmal | Cum-Ex-Geschäfte | Cum-Cum-Geschäfte |
|---|---|---|
| Ziel | Mehrfache Steuererstattung | Vermeidung der Quellensteuer |
| Hauptakteure | Banken, Fonds, Hedgefonds | Ausländische Investoren, Banken |
| Steuerschaden | 30 Milliarden Euro (Deutschland) | Mehrere Milliarden Euro pro Jahr |
| Legalität | Illegal (Steuerbetrug) | Legale, aber umstrittene Steuervermeidung |
| Regulierung | Seit 2012 verboten | Seit 2016 stark eingeschränkt |
Fazit
Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte waren massive Steuervermeidungsstrategien, die Milliarden an Steuereinnahmen kosteten. Während Cum-Ex eine illegale Steuerhinterziehung darstellt, wurden Cum-Cum-Geschäfte als legale, aber missbräuchliche Steuervermeidung eingestuft.
Durch gesetzliche Verschärfungen ab 2012 und 2016 konnten beide Modelle weitgehend gestoppt werden. Dennoch zeigt der Skandal, wie Steuerlücken im internationalen Finanzsystem ausgenutzt wurden, und hat zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden weltweit geführt.