Carl Menger Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Eugen von Böhm-Bawerk Nächster Begriff: Neoklassik
Einer der wichtigsten Ökonomen des 19. Jahrhunderts und der Begründer der Österreichischen Schule
Carl Menger war ein österreichischer Ökonom und der Begründer der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Er revolutionierte die Wirtschaftswissenschaften im 19. Jahrhundert, indem er die subjektive Werttheorie entwickelte und damit die bis dahin vorherrschende Arbeitswerttheorie der klassischen Nationalökonomie infrage stellte. Seine Theorien legten den Grundstein für moderne mikroökonomische Ansätze und beeinflussten zahlreiche Ökonomen wie Eugen von Böhm-Bawerk, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek.
Leben und akademischer Werdegang
Carl Menger wurde am 23. Februar 1840 in Neu-Sandez (heutiges Polen) geboren. Nach dem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Prag und Wien begann er als Journalist zu arbeiten, wo er sich intensiv mit wirtschaftlichen Fragen befasste. Später promovierte er an der Universität Krakau und wurde schließlich Professor für Nationalökonomie an der Universität Wien.
1871 veröffentlichte er sein bahnbrechendes Werk „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, das die Grundlagen der Österreichischen Schule legte. In den folgenden Jahren diente er als Berater von Kronprinz Rudolf von Österreich und beeinflusste die Wirtschaftspolitik des Habsburgerreichs.
Die subjektive Werttheorie: Mengers wichtigste Erkenntnis
Vor Menger dominierte die klassische Nationalökonomie, vertreten durch Ökonomen wie Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx. Diese gingen davon aus, dass der Wert eines Gutes hauptsächlich durch die aufgewendete Arbeitszeit bestimmt wird (Arbeitswerttheorie).
Menger stellte diese Auffassung radikal infrage und entwickelte die subjektive Werttheorie:
- Der Wert eines Gutes entsteht nicht durch seine Produktionskosten, sondern durch die individuelle subjektive Einschätzung des Konsumenten.
- Menschen ordnen Gütern eine persönliche Rangfolge zu, abhängig davon, welchen Nutzen sie ihnen in einer bestimmten Situation bringen.
- Der Wert eines Gutes wird nicht objektiv bestimmt, sondern ist immer das Ergebnis individueller Präferenzen.
Diese Theorie bildete den Ausgangspunkt für die moderne Grenznutzentheorie, die später von Eugen von Böhm-Bawerk und Friedrich von Wieser weiterentwickelt wurde.
Die Marginalistische Revolution
Carl Menger war einer der Hauptakteure der sogenannten Marginalistischen Revolution, die das wirtschaftliche Denken grundlegend veränderte. Gleichzeitig mit William Stanley Jevons in England und Léon Walras in Frankreich entwickelte Menger die Theorie des Grenznutzens (Marginal Utility):
- Der Wert eines Gutes hängt nicht vom Gesamtbedarf ab, sondern von dem zusätzlichen Nutzen, den eine weitere Einheit dieses Gutes bringt.
- Je mehr Einheiten eines Gutes bereits vorhanden sind, desto geringer wird der zusätzliche Nutzen einer weiteren Einheit (abnehmender Grenznutzen).
- Diese Theorie erklärt, warum Wasser trotz seiner lebenswichtigen Bedeutung oft billiger ist als Diamanten – weil der Grenznutzen einer zusätzlichen Wassereinheit gering ist, während Diamanten selten sind und hohen Nutzen für den Käufer haben.
Die Theorie der Güterstufen
Ein weiteres zentrales Konzept Mengers ist seine Theorie der Güterstufen:
- Erste Ordnung (Konsumgüter): Diese Güter stehen direkt zur Verfügung und befriedigen unmittelbare Bedürfnisse (z. B. Lebensmittel).
- Zweite Ordnung (Produktionsgüter): Diese werden zur Herstellung von Konsumgütern genutzt (z. B. Mehl zur Brotherstellung).
- Dritte Ordnung und höher: Dazu gehören Rohstoffe und Maschinen, die für die Produktion von Zwischen- und Endprodukten benötigt werden.
Dieses Konzept betont, dass der Wert von Produktionsgütern nicht in ihnen selbst liegt, sondern aus dem Wert der Endprodukte abgeleitet wird.
Mengers Kritik an der historischen Schule
Menger geriet in einen berühmten wissenschaftlichen Disput mit der deutschen historischen Schule um Gustav von Schmoller, bekannt als der „Methodenstreit“.
- Die historische Schule argumentierte, dass Wirtschaftswissenschaften nicht durch allgemeingültige Gesetze, sondern durch historische und empirische Analysen entwickelt werden sollten.
- Menger widersprach und betonte, dass wirtschaftliche Prinzipien universell seien und durch deduktive Logik erkannt werden können.
- Seine Sichtweise setzte sich langfristig durch und prägte die spätere Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften.
Bedeutung für die Österreichische Schule
Menger legte mit seinen Theorien den Grundstein für die Österreichische Schule, die später von Eugen von Böhm-Bawerk, Friedrich von Wieser, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek weiterentwickelt wurde.
Seine Hauptbeiträge zur Österreichischen Schule umfassen:
- Die subjektive Werttheorie: Der Wert eines Gutes wird durch individuelle Bedürfnisse bestimmt, nicht durch Arbeitsaufwand.
- Die Theorie des Grenznutzens: Wirtschaftliche Entscheidungen basieren auf der marginalen Bewertung von Gütern.
- Die Güterhierarchie: Produktionsgüter haben keinen eigenständigen Wert, sondern sind nur wertvoll, wenn sie zur Herstellung von Konsumgütern dienen.
Einfluss auf die moderne Wirtschaftswissenschaft
Mengers Theorien haben die moderne Wirtschaftswissenschaft stark beeinflusst. Sie sind die Grundlage für viele Konzepte der Mikroökonomie und der Preisbildungstheorie.
- Heute nutzen Volkswirte seine Grenznutzentheorie zur Analyse von Angebot und Nachfrage.
- Seine Theorie der Güterstufen beeinflusst die moderne Produktionsökonomie und Investitionsrechnung.
- Seine subjektive Werttheorie wurde in der Verhaltensökonomie weiterentwickelt, etwa in der Präferenzforschung.
Kritik an Menger
Trotz seiner Erfolge wurde Menger auch kritisiert:
- Vernachlässigung makroökonomischer Zusammenhänge: Während Menger sich stark auf individuelle Entscheidungen konzentrierte, wurden gesamtwirtschaftliche Prozesse von anderen Ökonomen stärker betont.
- Ablehnung empirischer Methoden: Seine deduktive Methode wurde von empirisch arbeitenden Ökonomen kritisiert, die Wirtschaftspolitik auf Datenanalyse statt auf reine Theorie stützen.
- Unterschätzung staatlicher Regulierung: Menger glaubte an eine weitgehende Selbstregulierung des Marktes, was von Keynesianern und modernen Wohlfahrtsökonomen als unrealistisch angesehen wird.
Fazit
Carl Menger war einer der wichtigsten Ökonomen des 19. Jahrhunderts und der Begründer der Österreichischen Schule. Seine Theorien zur subjektiven Wertbestimmung, zum Grenznutzen und zur Güterhierarchie legten den Grundstein für die moderne Mikroökonomie und die Preisbildungstheorie.
Sein Einfluss reicht bis in die heutige Zeit, insbesondere in der Markt- und Wettbewerbspolitik, der Mikroökonomie und der wirtschaftsliberalen Theorie. Trotz mancher Kritik bleibt sein Werk eine zentrale Grundlage der Wirtschaftswissenschaften und der freiheitlichen Markttheorie.