Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik Nächster Begriff: Angebots- vs. nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik
Ein Ansatz, der auf die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Steuersenkungen, Deregulierung und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes setzt
Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ist ein wirtschaftspolitisches Konzept, das darauf abzielt, die Produktionsbedingungen für Unternehmen zu verbessern, um langfristiges Wachstum, Beschäftigung und wirtschaftliche Stabilität zu fördern. Im Gegensatz zur nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, die staatliche Eingriffe zur Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vorsieht, setzt die angebotsorientierte Politik auf die Stärkung der Angebotsseite, insbesondere durch Deregulierung, Steuerentlastungen und Investitionsanreize für Unternehmen.
Grundprinzipien der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik
Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik basiert auf der Annahme, dass wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand in erster Linie durch eine leistungsfähige Angebotsseite erreicht werden. Unternehmen und private Haushalte sollen möglichst optimale Bedingungen vorfinden, um Investitionen, Innovationen und Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen.
Eine zentrale These der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ist, dass sich Märkte weitgehend selbst regulieren können und staatliche Eingriffe in die Wirtschaft auf ein Minimum beschränkt werden sollten. Daher liegt der Fokus auf der Reduzierung von staatlichen Regulierungen, Steuersenkungen und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
Instrumente der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik
Um das Wirtschaftswachstum langfristig zu fördern, setzt die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik auf verschiedene Maßnahmen, die insbesondere Unternehmen und Investoren begünstigen. Diese lassen sich in steuerliche, arbeitsmarktpolitische und regulierungsbezogene Instrumente unterteilen.
Steuer- und Finanzpolitik
- Steuersenkungen für Unternehmen: Durch die Reduzierung der Unternehmenssteuern sollen Investitionen gefördert, neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessert werden.
- Einkommenssteuersenkungen: Geringere Steuern für Arbeitnehmer sollen dazu führen, dass mehr Anreize bestehen, zu arbeiten und produktiver zu sein.
- Förderung von Investitionen: Unternehmen erhalten steuerliche Anreize oder Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in neue Technologien und Infrastruktur.
Arbeitsmarktpolitik
- Flexibilisierung des Arbeitsmarktes: Eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Reduzierung von arbeitsrechtlichen Vorschriften sollen Unternehmen dazu ermutigen, mehr Mitarbeiter einzustellen.
- Lohnzurückhaltung: Eine moderate Lohnentwicklung wird als notwendig angesehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten und Inflation zu verhindern.
- Förderung der beruflichen Qualifikation: Staatliche Maßnahmen zur Verbesserung der Bildung und Weiterbildung sollen die Produktivität der Arbeitskräfte erhöhen.
Deregulierung und Privatisierung
- Reduzierung bürokratischer Hürden: Eine Entlastung von Unternehmen durch den Abbau von Vorschriften soll Innovationskraft und unternehmerisches Handeln stärken.
- Privatisierung staatlicher Unternehmen: Die Übertragung von staatlichen Betrieben in private Hände soll Effizienzgewinne und Wettbewerb fördern.
- Freihandel und Globalisierung: Die Öffnung von Märkten und der Abbau von Handelshemmnissen sollen internationale Investitionen und Wettbewerb stärken.
Wirkung der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik
Befürworter der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik argumentieren, dass sie langfristig zu höherem Wirtschaftswachstum und einer nachhaltig stabilen Wirtschaft führt. Wenn Unternehmen bessere Bedingungen vorfinden, können sie mehr investieren, Arbeitsplätze schaffen und Innovationen fördern, was letztlich auch die Einkommen der Arbeitnehmer steigert.
Ein prominentes Beispiel für eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik war die Wirtschaftspolitik unter US-Präsident Ronald Reagan in den 1980er-Jahren („Reaganomics“). Durch massive Steuersenkungen für Unternehmen und Haushalte sowie Deregulierungen wurde versucht, die Wachstumsdynamik der US-Wirtschaft zu steigern. Ähnliche Maßnahmen wurden in Großbritannien unter Premierministerin Margaret Thatcher umgesetzt.
In Deutschland gewann die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik insbesondere in den 2000er-Jahren an Bedeutung, etwa mit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010. Durch Reformen wie die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Einführung von Zeitarbeit sollte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.
Kritik an der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik
Obwohl die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik viele Vorteile bietet, gibt es auch zahlreiche Kritiker, die ihre Schwächen betonen.
- Verschärfung sozialer Ungleichheit: Kritiker argumentieren, dass Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende oft nicht zu einer gerechten Verteilung des Wohlstands führen. Die Schere zwischen Arm und Reich könnte sich weiter öffnen.
- Unsicherheit für Arbeitnehmer: Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes kann zu unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen führen.
- Zweifelhafte Wirksamkeit von Steuersenkungen: Die Theorie der „trickle-down economics“, wonach Wohlstand von oben nach unten durch die Gesellschaft sickert, ist umstritten. Empirische Studien zeigen, dass Unternehmen Steuersenkungen nicht immer für Investitionen nutzen, sondern auch zur Gewinnmaximierung oder Aktienrückkäufen einsetzen.
- Gefahr staatlicher Unterfinanzierung: Wenn der Staat durch Steuersenkungen weniger Einnahmen generiert, kann dies langfristig zu Defiziten und Kürzungen bei sozialen Leistungen und Infrastrukturprojekten führen.
- Mangelnde kurzfristige Steuerungsmöglichkeiten: Angebotsseitige Reformen wirken oft erst langfristig. In wirtschaftlichen Krisenzeiten sind kurzfristige Maßnahmen, wie sie die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik bietet, oft effektiver.
Fazit
Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik setzt auf die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Steuersenkungen, Deregulierung und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Sie hat das Ziel, die Rahmenbedingungen für Unternehmen so zu verbessern, dass Wachstum und Beschäftigung langfristig gefördert werden.
Während Befürworter argumentieren, dass dieser Ansatz zu einer dynamischen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft führt, weisen Kritiker auf soziale Ungleichheiten und mögliche negative Folgen für Arbeitnehmer hin. In der Praxis zeigt sich, dass eine ausgewogene Mischung aus angebots- und nachfrageorientierten Maßnahmen oft die effektivste Strategie zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Entwicklung ist.