Goodbye Deutschland? Linde plant Delisting

vom 20.11.2022, 11:57 Uhr
TexthausLauer
11081 Leser

Der größte deutsche Industriekonzern Linde strebt den Rückzug von der Deutschen Börse an! Nach den Plänen des Vorstands soll die Aktie der Linde PLC künftig ausschließlich an der New Yorker Börse gelistet werden und ihre Zweitnotierung an der Börse Frankfurt aufgeben. Anleger reagierten verschreckt auf die Nachricht: Die Aktie gab um vier Prozent nach. Eine Einstiegschance?

 

Tradition trifft Innovation

Die Wurzeln der Linde PLC reichen bis in das Jahr 1871, als Carl von Linde mit dem Verkauf einer eigens entwickelten Kühlanlage den Grundstein für den heutigen Milliardenkonzern legte. Die wenig später gegründete Gesellschaft für Linde's Eismaschinen Aktiengesellschaft traf den wirtschaftlichen Zeitgeist und entwickelte sich sukzessive vom Kühlsystem-Anlagenbauer zum Sauerstoffaufbereitungsanlagen-Produzenten. Zu den Abnehmern gehörten Unternehmen wie die Guinness-Brauerei und während des Ersten Weltkriegs sogar die Wehrmacht, denn die Schlüsseltechniken ermöglichten nicht zuletzt die Produktion komplexer Flüssigsprengstoffe.

Der Erste Weltkrieg erwies sich jedoch keineswegs als Gewinntreiber: Einige Jahre zuvor waren die Münchner auf den amerikanischen Markt vorgedrungen und hatten hier mit der Linde Air Products ein zweites Standbein geschaffen. Das Übersee-Geschäft wurde jedoch im Krieg kurzer Hand konfisziert und mit weiteren amerikanischen Industriekonzernen zusammengeschlossen. 1989 entließ man den einst annektierten Linde-Zweig wiederum in die Selbstständigkeit. Die nun geschaffene Praxair Inc. gelang gar an die Börse. Nach zähen Verhandlungen glückte 2016 die Wiedervereinigung: Linde durfte mit der USA-Tochter fusionieren und operierte alsdann als Linde PLC.

Zurück zum Geschäftsmodell. Mit Ende des Ersten Weltkriegs sollte im Hause Linde die Stunde der Gasveredelung schlagen. Die von Linde geschaffene und für damalige Verhältnisse revolutionäre Verflüssigungstechnik fand alsbald nicht nur in der Sauerstoffgewinnung, sondern auch bei der Veredelung von Stickstoff, Acetylen, Propan und sogar Methan Anwendung. Die heutigen Gasanlagen sind kaum noch mit dem Prototyp vergleichbar, das Prinzip, das Linde-Verfahren, hat jedoch weiterhin Bestand. Zum Einsatz kommen die Gase in zahlreichen Branchen, beispielsweise in der Stahlindustrie, in der Medizintechnik und sogar in der Raumfahrt.

 

Solides Business mit Wasserstoff-Fantasie

Die Produktion und der Verkauf von Industriegasen stellen das Kerngeschäft der Linde PLC dar. In dem robusten Absatzmarkt schließt der Konzern langjährig laufende Verträge ab und genießt in Anbetracht der beschaulichen Konkurrenz eine Art Preissetzungsmacht. Die Kunden der Linde PLC stammen aus verschiedenen Branchen und agieren zudem weltweit. Den größten Umsatz erzielt man derweil in den USA (31 Prozent), gefolgt von Europa (25 Prozent) und Asien (20 Prozent).

Die Aussicht auf Ertragssteigerungen mit althergebrachten Gasen scheint jedoch begrenzt. Ganz anders im Bereich Wasserstoff: Linde beschäftigt sich bereits seit Jahren mit der Elektrolysetechnik und konnte in diesem Umfeld 2021 Umsätze von knapp zwei Milliarden US-Dollar erzielen. Mittlerweile hat Linde über 200 Wasserstoff-Tankstellen errichtet und engagiert sich hierzulande etwa im Projekt H2 Mobility Deutschland. Kooperationen mit der österreichischen OMV sowie TotalEnergies aus Frankreich stimmen Analysten besonders optimistisch: Allein bis ins Jahr 2025 prognostizieren Experten für die Wasserstoff-Sparte eine Vervierfachung des Umsatzes.

Apropos Konkurrenz: Die französische Air Liquide S.A. sowie die japanische Nippon Sanso Holdings gelten als die stärksten Gegenspieler der Linde PLC, hinken dem Deutschland- US-Giganten in puncto Nettomarge sowie Umsatzprognose allerdings hinterher. Zumindest die Japaner sind dafür auch deutlich günstiger bewertet.

 

Qualität hat ihren Preis

Dividendenjäger, Value-Investoren und Schnäppchenkäufer dürften einen Bogen um die Linde Aktie machen. Zumindest solche, die auf klassische Bewertungskennzahlen à la KGV & Co. achten. Bezogen auf das KGV (33) beispielsweise gehört die Aktie zu den „teuersten“ Papieren im DAX. Verglichen mit der Aktie von Air Liquide (KGV: 20) und der Aktie von Nippon Sanso (KGV: 15,7) scheint gar eine Überbewertung und somit deutliches Abwärtspotenzial vorzuliegen. Aus der Luft gegriffen ist das Vertrauen der Anleger jedoch keineswegs: Mit einer Nettomarge von über 15 Prozent und einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von 23 Prozent konnte sich Linde in den letzten Jahren als robuster Wachstumsriese behaupten.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Lesen Sie den kompletten Artikel kostenlos im Unternehmensblatt.

 

PS: Sie planen einen eigenen Blog, benötigen Lektoren-Hilfe oder generellen Content für Ihr Projekt? Texthaus Lauer hilft Ihnen weiter!

Werte zum Blogbeitrag
Name Aktuell Diff. Börse
Air Liquide 154,61 EUR ±0,00 % Lang & Schwarz
Nel Asa 0,25335 EUR ±0,00 % Lang & Schwarz
Nippon Sanso Holdings Corporation 27,09 EUR ±0,00 % Lang & Schwarz
Plug Power 2,42 EUR ±0,00 % Lang & Schwarz
Neue Blogbeiträge

Dis­clai­mer: Die hier an­ge­bo­te­nen Bei­trä­ge die­nen aus­schließ­lich der In­for­ma­t­ion und stel­len kei­ne Kauf- bzw. Ver­kaufs­em­pfeh­lung­en dar. Sie sind we­der ex­pli­zit noch im­pli­zit als Zu­sich­er­ung ei­ner be­stim­mt­en Kurs­ent­wick­lung der ge­nan­nt­en Fi­nanz­in­stru­men­te oder als Handl­ungs­auf­for­der­ung zu ver­steh­en. Der Er­werb von Wert­pa­pier­en birgt Ri­si­ken, die zum To­tal­ver­lust des ein­ge­setz­ten Ka­pi­tals füh­ren kön­nen. Die In­for­ma­tion­en er­setz­en kei­ne, auf die in­di­vi­du­el­len Be­dür­fnis­se aus­ge­rich­te­te, fach­kun­di­ge An­la­ge­be­ra­tung. Ei­ne Haf­tung oder Ga­ran­tie für die Ak­tu­ali­tät, Rich­tig­keit, An­ge­mes­sen­heit und Vol­lständ­ig­keit der zur Ver­fü­gung ge­stel­lt­en In­for­ma­tion­en so­wie für Ver­mö­gens­schä­den wird we­der aus­drück­lich noch stil­lschwei­gend über­nom­men. Die Mar­kets In­side Me­dia GmbH hat auf die ver­öf­fent­lich­ten In­hal­te kei­ner­lei Ein­fluss und vor Ver­öf­fent­lich­ung der Bei­trä­ge kei­ne Ken­nt­nis über In­halt und Ge­gen­stand die­ser. Die Ver­öf­fent­lich­ung der na­ment­lich ge­kenn­zeich­net­en Bei­trä­ge er­folgt ei­gen­ver­ant­wort­lich durch Au­tor­en wie z.B. Gast­kom­men­ta­tor­en, Nach­richt­en­ag­en­tur­en, Un­ter­neh­men. In­fol­ge­des­sen kön­nen die In­hal­te der Bei­trä­ge auch nicht von An­la­ge­in­te­res­sen der Mar­kets In­side Me­dia GmbH und/oder sei­nen Mit­ar­bei­tern oder Or­ga­nen be­stim­mt sein. Die Gast­kom­men­ta­tor­en, Nach­rich­ten­ag­en­tur­en, Un­ter­neh­men ge­hör­en nicht der Re­dak­tion der Mar­kets In­side Me­dia GmbH an. Ihre Mei­nung­en spie­geln nicht not­wen­di­ger­wei­se die Mei­nung­en und Auf­fas­sung­en der Mar­kets In­side Me­dia GmbH und de­ren Mit­ar­bei­ter wie­der. Aus­führ­lich­er Dis­clai­mer