BERLIN (dpa-AFX) - Das Geschäft des Essenslieferdienstes Delivery Hero ist Ende 2022 nicht so stark gewachsen wie erhofft. Allerdings machte das Unternehmen deutliche Fortschritte und verlor in den letzten Monaten des Jahres operativ deutlich weniger Geld als im Vorjahreszeitraum. Konzernchef Niklas Östberg sieht sein Unternehmen auf Kurs zum selbstgesteckten Profitabilitätsziel. Überschüssiges Geld will der Manager aber in besseren Service investieren, statt noch höhere Margen zu erreichen. "Wir wollen nicht nur die Profitabilität maximieren, sondern profitabel sein und zugleich wachsen können", sagte Konzernchef Niklas Östberg am Donnerstag im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Die Zahlen für das Abschlussquartal fielen allerdings schlechter aus als am Markt erwartet. Die Aktie geriet daraufhin deutlich unter Druck.

Das im Index der mittelgroßen Unternehmen MDax notierte Papier fiel am Vormittag um bis zu zehn Prozent, was insgesamt mittlerweile einen Abschlag von fast einem Fünftel gegenüber dem bisherigen Jahreshoch von Anfang Februar bedeutete.

In den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres hatten die für die Branche wichtigen Kennziffern Bruttowarenwert (Gross Merchandise Volume, GMV) und Umsatz nach Abzug von Gutscheinkosten zwar erneut in zweistelligem Prozentbereich zugelegt. Analysten hatten aber mehr erwartet - und auch auf einen ersten Blick auf die Zielmarken für beide Kennziffern für das laufende Jahr gehofft. Der Konzern gab indes lediglich eine Prognose für die Profitabilität im Tagesgeschäft ab.

Delivery Hero ist inzwischen eigenen Angaben zufolge auf dem besten Weg, sein selbstgestecktes Ziel einer leicht positiven operativen Marge für das laufende Jahr zu erreichen. So sollen mehr als 0,5 Prozent des Bruttowarenwertes als um Sondereffekte bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda-Marge) hängen bleiben, wobei sich die Profitabilität im zweiten Halbjahr mehr als verdoppeln dürfte.

Östberg zeigte sich unterdessen zuversichtlich, eine noch höhere operative Marge für das laufende Jahr vorlegen zu können als vom Konzern angepeilt. Dies habe aber nicht die oberste Priorität, stattdessen wolle er ins Geschäft investieren. "Sobald wir unser Profitabilitätsziel erreicht haben, könnten wir das überschüssige Geld wieder in Wachstum und in Werbung investieren."

Das Unternehmen hatte sich nach einem beispiellosen Kursrutsch im vergangenen Frühjahr einem radikalen Wandel verschrieben: Fortan solle die Profitabilität in den Fokus genommen werden, nachdem Delivery Hero jahrelang sein Geschäft auf möglichst großes Wachstum getrimmt hatte.

Bereits im Abschlussquartal des vergangenen Jahres legte die Marge deutlich zu. Verzeichnete der Vorstand im Vorjahreszeitraum noch einen Negativwert von 3,3 Prozent, lag die Marge nun bei minus 0,3 Prozent, wie das im MDax notierte Unternehmen am Donnerstag in Berlin mitteilte.

Der Bruttowarenwert - also alles, wofür Kunden bezahlen - des vierten Quartals kletterte um knapp 9 Prozent auf 11,3 Milliarden Euro. Der um Gutscheinkosten bereinigte Umsatz (Segmenteumsatz) stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund ein Fünftel auf 2,5 Milliarden Euro. Beide Kennziffern entwickelten sich damit aber deutlich schwächer als von Branchenkennern gedacht.

Die Diskrepanz erklären sich Kritiker seit längerem damit, dass Delivery Hero weniger Werbung für Wachstum investiert. Entsprechend entwickeln sich Bruttowarenwert und Umsatz mittlerweile langsamer. Weil aber weniger Werbebudget zum Beispiel für Gutscheine oder Kampagnen benötigt wird, steigt zugleich die Profitabilität. Östberg hingegen betont das hohe Vergleichsniveau: In den Hochzeiten der Corona-Pandemie bestellten Menschen deutlich mehr Essen nach Hause, als sie nicht auf die Straße durften und Restaurants für den Verzehr vor Ort geschlossen blieben.

Grund für die vergleichsweise schwache Entwicklung dürfte weiterhin auch die gebremste Kauflaune der Menschen wegen der hohen Inflation sein. In den Zahlen sind mittlerweile der südkoreanische Zukauf Woowa sowie die spanische Tochter Glovo inkludiert. Beim Umsatz habe der Konzern den Konsens deutlich verfehlt, urteilte JPMorgan-Experte Markus Diebel.

Die Entwicklung der Geschäfte sei zu Jahresbeginn ähnlich wie im vierten Quartal verlaufen, sagte Östberg. "In der gesamten Branche gab es im Januar eine schwächere Nachfrage." Eine Jahresprognose für Bruttowarenwert und Umsatz exklusive Gutscheinaufwendungen traute sich der Unternehmer nicht. "Wir leben in herausfordernden Zeiten, in denen Prognosen angesichts von Inflation und Corona-Pandemie schwierig geworden sind." Analyst Giles Thorne von Jefferies betonte, dass die ausgebliebenen Prognosen Gewinnmitnahmen bei der Aktie auslösen könnte. Der Markt habe auf die fehlenden Jahresziele gewartet, kommentierte Sherri Malek von RBC.

Für 2022 verzeichnete Delivery Hero beim Bruttowarenwert ein Plus von 17,5 Prozent auf 44,6 Milliarden Euro. Der Erlös der Segmente kletterte um fast ein Drittel auf rund 9,6 Milliarden Euro. In beiden Fällen verfehlte der ehemalige Dax-Konzern damit die eigenen Jahresziele leicht. Das vollständige Zahlenwerk zum abgeschlossenen Jahr und einen Blick auf das jetzige erste Quartal will Delivery Hero am 27. April veröffentlichen./ngu/tav/stk