(neu: Aussagen aus Pressekonferenz, Hintergrund, Kurs)

TOULOUSE (dpa-AFX) - Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus will angesichts prallvoller Auftragsbücher die Produktion weiter hochschrauben. Während Konkurrent Boeing aus den USA wieder tief in einer hausgemachten Krise steckt, nimmt sich Airbus-Chef Guillaume Faury für dieses Jahr die Auslieferung von rund 800 Passagierjets vor. Es wäre ein weiterer Schritt zum Niveau aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Für 2023 winkt den Aktionären sogar eine Sonderdividende. An der Börse konnte der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern am Donnerstag jedoch nicht überzeugen.

Die Airbus-Aktie verlor bis zur Mittagszeit rund ein Prozent auf 148,74 Euro und gehörte damit zu den größten Verlierern im Dax . Erst Anfang Februar hatte das Papier mit 152,16 Euro ein Rekordhoch erreicht.

Analysten zeigten sich von der jüngsten Geschäftsentwicklung etwas enttäuscht. Auch bei den Zielen für 2024 hatten sich Experten etwas mehr ausgerechnet. Faury stellte am Donnerstag in Toulouse einen operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sonderposten (bereinigtes Ebit) von 6,5 bis 7 Milliarden Euro in Aussicht, während Analysten gut 7 Milliarden erwartet hatten.

Faury begründete seine vorsichtige Planung mit dem Spannungsfeld zwischen den Wünschen der Kunden und den Möglichkeiten der Lieferketten. Denn bei der Ausweitung der Flugzeugproduktion seien die Zulieferer der entscheidende Flaschenhals. Mit 800 ausgelieferten Maschinen in diesem Jahr käme Airbus den 863 Jets aus dem Rekordjahr 2019 dennoch ein großes Stück näher.

Im vergangenen Jahr hatte der Konzern 735 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert und sein eigenes Ziel damit um 15 Maschinen übertroffen. Der Umsatz stieg um elf Prozent auf 65,4 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebit legte hingegen nur um vier Prozent auf 5,8 Milliarden Euro zu. Unter dem Strich wirkten sich veränderte Währungskurse negativ aus, sodass der Überschuss um elf Prozent auf 3,8 Milliarden Euro sank.

Allerdings übertraf der freie Barmittelzufluss mit 4,4 Milliarden Euro das Jahresziel um fast die Hälfte. Die Nettoliquidität des Konzerns sprang auf 10,7 Milliarden Euro nach oben. Davon sollen die Aktionäre profitieren. Ihnen winkt für 2023 zusätzlich zur stabilen Dividende von 1,80 Euro je Aktie eine Sonderausschüttung von 1 Euro.

Unterdessen sitzt Airbus weiter auf dicken Auftragsbüchern für seine derzeitige Modellpalette. Ende 2023 belief sich der Auftragsbestand für Passagier- und Frachtjets auf fast 8600 Maschinen. Die Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo sind sogar so stark gefragt, dass vor Ende des Jahrzehnts praktisch keine Luft mehr in der Produktion ist. Bis 2026 will Faury die Produktion dieser A320neo-Reihe deshalb auf 75 Maschinen pro Monat ausweiten.

Unterdessen verzögert sich die Auslieferung des weltweit kleinsten Langstreckenjets Airbus A321XLR weiter: Statt im zweiten Quartal soll das erste Exemplar erst im dritten Quartal in den Dienst gehen. Mit dieser Variante des Mittelstreckenjets A321neo sollen sich Langstreckenflüge auch auf Strecken rechnen, auf denen die Nachfrage für große Langstreckenjets nicht ausreicht.

Die A321XLR hat sich bereits zu einem Verkaufsschlager entwickelt, zumal Boeing in dieser Größe nichts Vergleichbares im Angebot hat. Allerdings hatte Airbus mit verschärften Auflagen für den Zusatztank zu kämpfen, der für die vorgesehenen Flugstrecken von bis zu 8700 Kilometern notwendig ist.

Airbus hatte seinen US-Rivalen Boeing schon im Jahr 2019 als größten Flugzeughersteller der Welt abgelöst. Damals waren zwei Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max abgestürzt, 346 Menschen starben. Anschließend durfte diese Neuauflage seines meistgefragten Flugzeugtyps mehr als 20 Monate lang weltweit nicht mehr starten.

Anfang 2024 beförderte ein Beinahe-Unglück einer 737-9 Max von Alaska Airlines den Hersteller zurück in die Krise. Bei dem Jet war mitten im Flug ein Rumpfteil herausgebrochen. Jetzt nimmt die US-Luftfahrtbehörde FAA Boeings Produktionsprozesse und Qualitätskontrollen untere die Lupe. Zudem darf der Hersteller die Produktion der Max-Reihe vorerst nicht mehr über das jüngste Niveau von monatlich 38 Maschinen hinaus steigern.

Nach fünf Verlustjahren in Folge droht der US-Konzern damit noch weiter hinter seinen Rivalen aus Europa zurückzufallen. Von Sonderdividenden oder Aktienrückkäufen ist bei Boeing ohnehin seit Jahren keine Rede mehr. Angesichts des jüngsten Desasters und der Produktionsbeschränkungen für die 737 Max gab Konzernchef Dave Calhoun bei der jüngsten Bilanzvorlage überhaupt keine Geschäftsprognosen mehr ab./stw/nas/jha/