HEIDELBERG (dpa-AFX) - Höhere Kosten für Rohstoffe und Energie setzen europäischen Baustoffkonzernen wie Heidelberg Materials zu. Die Heidelberger steuern mit Einsparungen und Preiserhöhungen gegen. Für das abgelaufene Jahr hatte das Management rund um den Vorstandsvorsitzenden Dominik von Achten leichte Umsatzzuwächse in Aussicht gestellt, das operative Ergebnis dürfte demnach aber gefallen sein. Um wie viel genau wird bei der Vorlage vorläufiger Zahlen für 2022 Heidelberg Materials am 23. Februar bekannt gegeben. Was im Unternehmen los ist, was die Aktie macht und was Experten dazu sagen.

DAS IST LOS BEI HEIDELBERG MATERIALS:

2022 musste sich der Dax-Konzern gegen die wegen des Ukraine-Krieges deutlich gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Energie behaupten. Im dritten Quartal war der Umsatz im Jahresvergleich vor allem dank Preiserhöhungen um knapp 16 Prozent auf 5,85 Milliarden Euro geklettert. Der bereinigte operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) verharrte mit 1,19 Milliarden Euro auf dem Niveau des Vorjahres. In den ersten neun Monaten fiel er dennoch um rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert. Die Absatzmengen schrumpften in allen Geschäftsbereichen.

"Mit konzernweiten Energiesparmaßnahmen, Kostendisziplin und Preisanpassungen haben wir den weiter gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen getrotzt", sagte Konzernchef von Achten Anfang November. Das Umfeld bleibe herausfordernd, gerade im Wohnungsbau könnte die Nachfrage leiden angesichts der hohen Inflation.

Daher verschärfte der Konzern nochmals die Anstrengungen, die gestiegenen Kosten auszugleichen. Mit zusätzlichen Preiserhöhungen und Sparmaßnahmen will der Konzern deutlich mehr als die zuvor angepeilten zwei Milliarden hereinholen. In den ersten neun Monaten 2022 hatte das Unternehmen davon 1,6 Milliarden Euro geschafft. Unterstützung dürfte auch von den Energiepreisen gekommen sein, die zum Ende des Jahres 2022 ein Stück weit gesunken waren.

Trotz aller Einsparungen musste Management bereits im Sommer das Gewinnziel für 2022 senken. So sollte der Umsatz zwar deutlich steigen, der bereinigte operative Gewinn dürfte aber um etwa ein bis sechs Prozent auf 3,625 bis 3,825 Milliarden Euro sinken, hatte es geheißen.

Heidelberg Materials ist eines der größten Baustoffunternehmen der Welt, in Deutschland nach eigenen Angaben Marktführer bei Zement und Transportbeton sowie bei Sand und Kies. Das Unternehmen mit mehr als 51 000 Mitarbeitern will bis 2050 klimaneutralen Beton herstellen. Um dieses Ziel zu erreichen, baut Heidelberg Materials das Baustoffrecycling aus, auch mit Übernahmen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den von dpa-AFX seit November erfassten 13 Experten empfehlen sieben die Aktie zum Kauf, und sechs sprechen sich für das Halten des Papiers aus. Drei Analysten raten zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 59 Euro - zuletzt kostete das Papier etwa 64 Euro.

Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan rechnet für das vierte Quartal mit einem nur leichten Zuwachs beim operativen Gewinn auf gut eine Milliarde Euro. Die Erlöse dürften auf vergleichbarer Basis dank Preiserhöhungen um etwa neun Prozent auf knapp 5,3 Milliarden Euro zulegt haben. Die Volumina in Europa sollten aber im vierten Quartal weiter zurückgegangen und in Nordamerika aufgrund der ungünstigen Wetterbedingungen hinter dem Vorjahr zurückgeblieben sein. Dennoch sollte das operative Ergebnis in beiden Regionen dank Preiserhöhungen und niedrigerer Kosten gestiegen sein - anders als in Afrika.

2022 sei für Heidelberg ein relativ herausforderndes Jahr gewesen, schreibt Analyst Gregor Kuglitsch von der Schweizer Bank UBS. Dies hänge vor allem damit zusammen, dass das Unternehmen weniger stark seinen Strombedarf abgesichert und einen im Vergleich zu den Wettbewerbern höheren Geschäftsanteil in Europa habe. Das operative Ergebnis dürfte in der Mitte der Konzernprognose liegen. Die Aussichten für 2023 seien zwar aufgrund der niedrigeren Strompreise besser, er geht aber von einem Ergebnisrückgang etwa drei Prozent aus. Einschließlich Währungseffekten dürfte das Minus auf sechs Prozent belaufen.

Nach Einschätzung von Glynis Johnson vom Analysehaus Jefferies wird das Management von Heidelberg Materials bei Vorlage vorläufiger Zahlen zu 2022 versuchen, einen Ausblick für das laufende Jahr zu geben. Obwohl die Energiekosten zuletzt gesunken seien, könnte es im ersten Halbjahr noch zu früh für eine spürbare Kostenentlastung sein. Sie auf vergleichbarer Basis rechnet sie 2023 daher mit einem Rückgang des operativen Gewinns um drei Prozent.

Analyst Nabil Ahmed von der britischen Bank Barclays rechnet nicht mit größeren Überraschungen. Er erwartet schwächere Volumina in Nordamerika wegen des schlechten Wetters, ein weiterhin schwaches Europa-Geschäft und eine kontrastreiche Situation in den Schwellenländern. Heidelberg Materials sollte jedoch mit Preiserhöhungen die gestiegenen Kosten und rückläufigen Mengen ausgeglichen haben.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die im Dax notierte Heidelberg-Materials-Aktie hatte seit ihrem Mehrjahrestief von 29 Euro zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 gut ein Jahr lang eine eindrucksvolle Erholung hingelegt. Ihr Kurs stieg bis auf gut 80 Euro im Frühling vergangenen Jahres gestiegen. Dann ging es wieder abwärts bis auf rund 39 Euro im September 2022.

Seither läuft eine Erholung, allein seit dem Jahreswechsel legte die Aktie um rund ein Fünftel zu und kostete zuletzt mit rund 64 Euro fast soviel wieder wie vor einem Jahr, bevor der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte.

Der Abstand zum Rekordhoch von rund 112 Euro aus dem Jahr 2007 bleibt ab riesig. Im Jahr darauf hatte die Weltfinanzkrise für einen beispiellosen Kurseinbruch auf weniger als 20 Euro gesorgt.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 12 Milliarden Euro zählt der Konzern zu den Leichtgewichten im Dax und hinkt auch der europäischen Konkurrenz hinter. Zum Vergleich: Der französische Baustoffhersteller Saint-Gobain kommt auf rund 27 Milliarden Euro, der irische Baustoffkonzern CRH auf 33 Milliarden Euro und Holcim aus der Schweiz auf umgerechnet rund 35 Milliarden Euro./mne/stw/mis